„Dann wollen wir ’mal einen Probetörn segeln“, ermuntert uns Herr Schmude, „Sie nehmen die Pinne!“ „Ich, steuern? Ich hab’ noch nie so ein Boot gesteuert“, denke ich, „aber bei dem bisschen Wind wird das kein Problem,“ beruhige ich mich. „Haben sie was dagegen wenn mein Stegnachbar mitfährt“? „Nein, haben wir nicht“, antworte ich so als sei die Varianta bereits unser Boot.

Bei zwei Beaufort aus West laufen wir zuerst „elektrisch“, dann unter Groß und Fock aus. Die Varianta lässt sich ja leicht steuern, freue ich mich. Wir segeln auf Amwindkurs Richtung Wilhelmstein. Es ist schwachwindig, regnerisch, aber noch bleibt es trocken. Doch achteraus bezieht sich der Himmel plötzlich dramatisch schnell, eine Gewitterfront kündigt sich an. Die Warnleuchten, die jetzt bei 6 Bft. am Ufer anspringen, signalisieren Starkwind und der kommt denn auch in Böen bis 7 Bft. Wenige Minuten später blitzt, donnert und schüttet es wie aus Eimern. Das Schiff legt sich auf die Seite, doch Herr Schmude bleibt ausgesprochen gelassen und der Rudergänger (das bin ich), der mit breiter Brust steuert, zeigt sich nach außen hin ebenso unbeeindruckt. Nach innen überschlägt er sich vor Freude. Der erste Ritt übers Wasser wird ein einziges Vergnügen, zumal der Skipper kurz vor den Böen noch ein Reff ins Großsegel gebunden hat. Wenn es wirklich eine Beziehung zwischen Schiff und potentiellem Skipper gibt, dann ist sie hier entstanden. 15 Minuten später ist der Spuk vorbei, die Gewitterfront durch. Ich auch.

Ich bin klatschnass, überglücklich und werde trotzdem gelassen bleiben, schließlich wollen wir später, von diesem Törn „völlig unbeeindruckt“, über den Preis verhandeln. Wir klären Herrn Schmude darüber auf, dass wir noch heute am Lippesee ein zweites Boot besichtigen werden, aber an seiner „flexibel“ großes Interesse haben. Per E-Motor schieben wir uns durch die Flaute zurück an den Steg. Die Verabschiedung verläuft sehr verhalten, denn Herr Schmude hatte sich auf einen Segeltag eingestellt und nicht auf eine Segelstunde.

Sabine konnte sich während des Gewitters in die Kabine verziehen und wird längst nicht so nass wie ich. An mir ist nichts mehr trocken, ich friere und auf dem Weg zum Auto läuft mir das Wasser immer noch in die Schuhe. Weil wir inzwischen so spät dran sind, düse ich unterwegs, nur mit nassem Hemd und in Unterhose, in die nächste Telefonzelle, um Herrn Post die Verspätung anzukündigen. Natürlich werden meine Unterhose und ich von einigen Passanten mit verständnislosen Blicken in den nächsten Knast befördert. Ich sehe wohl auch ziemlich verboten aus, aber im Verkehrsstudio wird nicht nach einem verwirrt aussehenden Mann, ca. 1,76 m groß, mit nassen Haaren in aufregend kurzer Hose gefahndet. Bis zum Lippesee erwärmt mich die voll aufgedrehte Heizung, eine dicke Jacke und meine Hose muss auf dem Autodach trocknen - wir haben sie in die Seitenscheibe geklemmt. Langsam taue ich wieder auf, komme zu trockener Kleidung und westlich des Teutoburger Waldes scheint die Sonne.

Am Lippesee, das ist wirklich nur ein Baggerloch, empfängt uns Herr Post und führt uns auf seine Varianta. Der erste Blick ist längst nicht so überzeugend wie vorhin. Einige Relingstützen wackeln, im Doppelboden, den wir von Herrn Post fast gegen seinen Willen aufschrauben lassen, steht Wasser, doch das Boot hat eine Sprayhood und sogar eine Kuchenbude. Da wir unser Segelabenteuer nicht gleich mit Reparaturen beginnen wollen, entscheiden wir uns nach ein paar Minuten Bedenkzeit gegen diese Varianta.

Mit der Besichtigung stellen sich neue Erkenntnisse aber auch neue Fragen. Wir sind schnell zu VariantaexpertInnen geworden. Telefonisch nehmen wir wieder Kontakt zu Herrn Schmude auf und verabreden uns für den nächsten Tag auf dem Steinhuder Meer. Eine Probefahrt brauchen wir nicht mehr und als wir die letzten Details, z.B. über Anker und Schwimmwesten ausgehandelt haben stimmen wir zu. „flexibel“ wird am nächsten Sonntag unser Boot. Bis dahin gibt es viel zu tun: Das Geld muss zusammen gekratzt und überwiesen werden. Die kleine Yacht muss bis Sonntag auf meinen Namen versichert sein. Wir brauchen einen Stegplatz und/oder einen Segelclub. Festmacher und Ruckfender müssen bestellt und vorbereitet sein.

Alles gelingt. Danke Segelclub Mardorf. Danke Internet. Punktlandung. Eine Woche später, am Sonntag, den 11. August, unterschreiben wir den Kaufvertrag, die Varianta 65, die ja „flexibel“ heißt, ist unser Boot. Nach der Stufe der Motivation und der Qualifikation erreichen wir die Stufe der Investition.