Dieser Törn in den Mai begann eigentlich schon vor ein paar Jahren, als Sabine und ich Klaus bei der Clubregatta des SCMa erstmals auf dem Steinhuder Meer begegneten. „Wo geht's denn hier zum Ziel?“, fragte Klaus draußen auf der Regattabahn ausgerechnet uns, die wir hoffnungslos hinten lagen. Am Ende fanden wir selbst das Ziel nicht mehr … es war längst abgebaut. Seitdem kenne ich Klaus und nun sitzen wir endlich das erste Mal in einem Boot, pardon zunächst natürlich noch im Auto und vor uns auf der A 1 sind 14 km Stau von Stillhorn bis Moorburg angesagt.
Hinten anstellen und warten? Nicht mit Klaus. Die Alternative über Lüneburg? Zu lang. Klaus nimmt die A 7, aber auch hier 12 km Stau vor dem Dreieck Nordwest. Doch sein TDI zeigt dem Stau permanent die Rücklichter und dann schlagen wir uns nördlich von Hamburg durch die Landschaft. Marla, Klaus' dreizehnjährige Tochter und ihre Freundin Esther sind von ihrem Steuermann begeistert, der uns in Bad Oldesloe wieder auf die A 1 bringt. Zeitgewinn? Keine Ahnung, aber immerhin haben wir uns nicht hinten angestellt ...
Dann endlich Heiligenhafen. Hoffentlich hat die Küche noch auf. Zu viert kreuzen wir im "Seestern" auf, den kennt ihr ja schon, und zwei Stunden später fallen wir todmüde in die Koje. Morgen noch kurz einkaufen und dann ab in den Mai …
Seewetterbericht: SW 2 – 3, später umlaufend
Am 1. Mai ein Einkauf bei Sky? Denkste Skipper, der Laden ist dicht. Aber was nun? Die Bäcker waren jedenfalls nicht auf der Demo und bei "Mien Bäcker" hängen keine roten Fahnen. Brötchen und frische Milch bekommen wir ohne Mainelke und beim nächsten Bäcker gibt's sogar noch die Frühstückseier. Irgendwas aus dem heimischen Kühlschrank ist ohnehin an Bord, unsere Not hält sich also in Grenzen. Marla und Esther nehmen's ebenfalls gelassen.
Die Sicherheitseinweisung nach dem Frühstück will ich hier mal vernachlässigen, aber um 1015 sind wir seeklar und legen ab. Draußen bei der Fahrwassertonne setzen wir Vollzeug, schieben bei 5 Bft. auch gleich Lage, sodass der Skipper Groß und Genua ein wenig reffen läst. Vorsicht ist nun mal … und wer zwei 13jährige Mädels transportiert, hat allen Grund dazu. Apropos zwei Mädels: Böse Zungen werden nach unserer Rückkehr vermutlich über den Mädchentransporter berichten und weil die Ladies manchmal gar nicht aus ihrer Luxussuite herauskommen, wird mann uns vermutlich sogar noch Mädchenschmuggel anhängen.
Aber vor dem Schmuggel wird erst einmal gesegelt, obwohl uns der Wind immer mehr verlässt. Viel ärgerlicher ist, dass uns eine First 31.7 langsam wegrutscht. Wir können ihr einfach nicht folgen, obwohl wir alle Trimmmöglichkeiten ausreizen. Wir quälen die Schoten, den Traveller, verändern die Holepunkte und selbst der Baumniederholer bringt nicht den fehlenden Kick. Sind die schnell … aber dann kassieren wir sie doch langsam wieder – unter Motor, wie peinlich.
Am Kiel-Ostseeweg steht die Peilung zu einem Tanker, den wir lieber passieren lassen und wie immer läuft gegen 1600 die "Color Fantasie" auf ihrem Kurs nach Oslo weit achteraus durch, wir haben den Dovns Klint, die Südspitze von Langeland erreicht.
Um 1830 erreichen wir nach 36 sm Marstal auf Ærø. Wie oft habe ich hier schon festgemacht? Und genau deshalb will ich in „meine“ alte Box, ganz hinten, am Ende der Boxengasse. Also rutschen wir langsam die Boxengasse runter und bringen das Boot über Bb. Ruder an den Luvpfahl - gleich neben eine X-Yacht. Genau da steht Esther mit dem Palstek der Heckleine, aber der Luvpfahl will und will nicht näher kommen. Da läuft doch was schief ? Wir sitzen fest, ach du Scheiße! Ich merke es sofort, gebe kräftig rückwärts und sofort sind wir wieder frei … hängen aber nun zwischen den Pfählen so richtig in der Falle. Großes Hafenkino jedenfalls (für die Anderen) und Kleinholz obendrein. Der Flaggenstock muss, nach der Pleite in Travemünde, schon wieder dran glauben und die Geschichte vom Flaggenstockabfahrer wird mich von nun an gnadenlos verfolgen. Wenn es noch einmal einen Flaggenstock geben wird, so wird der bei jedem Hafenmanöver ins Cockpit verdammt. Der "Adenauer" wird sich vermutlich im Grabe umdrehen und mein Mitsegler droht mit Meuterei, wenn er nicht die nächsten Hafenmanöver fahren darf.
Und da Du auf dieser website schon so oft in Marstal warst, will ich nur noch kurz berichten, dass der Supermarkt längst geschlossen hat, was auch sonst. Also gibt's zum sundowner Erbsensuppe aus der Dose, dazu Rotwein vom Feinsten. Während diverse Crews aus Heiligenhafen die Grillplätze erobert haben und die Saisoneröffnung feiern.
Freitag, 02. Mai 08, Marstal – Drejø (via Svendborgsund)
Seewetterbericht: Ost bis Südost 3, später umlaufend
Traumwetter. Während die Mädels noch selig schlafen sitzen die Dschunxx längst vorm Brugsen und wollen da rein. Dann noch zum Bäcker, endlich Kaffeeduft und Frühstück draußen im Cockpit. In der Suite der Mädels regt sich noch nix, erst nachdem wir um 1115 wieder unterwegs sind kommen die Kopfhörer mit den Mädels ans Licht der Welt.
Und da ist es gerade ziemlich spannend: Dass uns eine neue X-Yacht kassiert ist klar, aber vor uns doch schon wieder die 31.7er First. Die darf uns nicht noch einmal weglaufen.
Zwei Meilen weiter haben wir die First, doch kurz vor dem Rudkøbingfahrwasser sind sie doch wieder an uns vorbei. Nun geben wir alles, lassen sogar noch den Blister fliegen und kommen Stück für Stück an die First heran. Du hättest mal das Weiße im Auge des Skippers sehen sollen. Beinahe Planke an Planke kassieren wir die First direkt vor Rudkøbing und sehen sie auf diesem Törn auch nie wieder …
Bei Waldemars Slot wird der Blister geborgen. Inzwischen haben wir 5 Bft. und sind auf Amwindkurs unterwegs in den Svendborgsund. Diese Ecke ist für mich einer der schönsten dänischen Küstenstreifen. Mit sportlichem Ehrgeiz segeln wir bis vor den Museumshafen von Svendborg, doch dann haben wir Wind und Strom von vorn, treten auf der Stelle und müssen den Jockel anschmeißen.
Nach dem Sund wechseln wir in die „Pappelallee“, die beinahe bis vor die Haustür von Ærøsskøbing reicht und können endlich wieder segeln. Wir genießen die wunderbare Stimmung in der Abendsonne und Klaus besteht darauf, den Anleger zu fahren. Ich weiß gar nicht was er hat, der "Adenauer" hängt doch sicher am Achterstag ..? Okay, Klaus bekommt seinen Anleger und setzt uns butterweich an die Pier. Hinein in eine Idylle, in der noch jeder seinen Platz findet, die Crews draußen an Tischen und Grills sitzen und unsere Mädels ganz schnell die Umgebung erkunden. Was'n da los?
Dieser Abend soll dem heimischen Kro gehören, die Kombüse bleibt heute kalt. Die Nachrichtenlage ist dazu offenbar schlecht. Hat der Kro nun zu oder nicht? Die Ladies rücken nicht so ganz mit der Sprache raus und noch einmal in den Ort wollen sie auch nicht. Widerstand kündigt sich an … aber wir Pädagogen gehen mit dem Widerstand (u.r.) und damit direkt zum Kro ins Centrum der Insel.
Und der hat natürlich – geschlossen, klar. Da stehen wir nun mitten im Ort, umzingelt von 69 Einwohnern (Stand 2006) und der ausgelagerten Kirche und in so einer Situation fällt es schwer, dem Ort auch nur ein wenig Charme abzugewinnen. Früher eins der schönsten Dörfer auf den „kleinen Inseln“ ahnen wir an dieser Stelle nicht, dass der Ort 1943 vollständig abgebrannt war. Ein Dachdecker hatte, nach getaner Arbeit am Reetdach des Pfarrhauses, seine Pfeife ausgeklopft und damit ein Feuer entfacht, das am Ende alle Reetdächer und Häuser des Dorfes verwüstete. Reetdächer gibt es auf Drejø seitdem fast nicht mehr.
Na schön, der Kro hat dicht und die Mädels zicken ordentlich rum. Sogar eine Straßenblockade soll uns tief beeindrucken. Wir haben nur eine Chance: Spaghetti!!! Also gibt's das schnellste Essen der Welt unter fremden Sternen im Cockpit, dazu erlesene Säfte und den hervorragenden Roten vom größten Discounter. Der Anflug von Meuterei hat sich damit bei den Ladies erledigt. Leider können sie dem wunderbaren Sternenhimmel überhaupt nix abgewinnen – stattdessen zappt sich der weibliche Teil der Crew lieber unter Deck durchs www. Klaus und der Flaggenstockabfahrer reden über Gott und die Welt und schwören sich zur guten Nacht ewige Freundschaft, Dschunxx halt.
Seewetterbericht: W 3, diesig, Frühnebelfelder
Unsere Mädels liegen noch in der Koje, während wir um 1100 in die Achterspring eindampfen und den Kahn losbinden. Gleich vor der Haustür steht schon der Blister für die Reise durch die Fahrrinne. Wir haben beinahe achterlichen Wind, es ist wirklich noch diesig, aber die Sicht beträgt wenigstens 4 – 5 Meilen. Easy sailing. Birkholm wird passiert und am Ende des Fahrwassers muss der Blister wieder runter, nun bringt uns die Genau nach Marstal. Um 1300 grüßt der Flaggenstockabfahrer kurz rüber in den Hafen, danach nehmen wir mit Groß und Genua Kurs auf Heiligenhafen. Legen wir ein gutes Tempo vor, segeln wir durch, läuft es langsam, gehen wir nach Bagenkop.
Es läuft wunderbar. Der leichte Westwind schiebt uns mit 4 bis 5 Knoten nach Südost. Wir lassen segeln. Der Autopilot steuert, auf dem Kiel - Ostseeweg gähnende Langeweile. Die Crew räkelt sich in der Sonne, liest, die Mädels singen, was sie im Kopfhörer hören und die Welt ist sooo weit weg. Doch plötzlich um 1550 ein Schweinswal auf 54 38' N und 43 41' O, 30 m achteraus im Kielwasser. Aufregung an Bord, die sich noch steigert, als uns um 1625 eine kleine Schule ein paar Minuten begleitet. Wir meinen, dass wir drei Schweinswale unterscheiden konnten, bekommen aber immer nur einen vor die Kamera. Die Experten der gsm werden vermutlich wieder sagen, dass es doppelt so viele waren. Okay, haben wir halt nur die Spitze des Eisberges gesehen.
An dieser Stelle ein Hinweis auf die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger, kurz gsm erlaubt: www.gsm-ev.de. Selbstverständlich werden wir auch diese Sichtungen online an die gsm weiter geben. Die Sichtungen werden dort ausgewertet und sind für die Ausweisung von Schutzgebieten höchst willkommen. Bitte beteiligt euch ebenfalls daran.
Nach diesem highlight beendet der Wind sein Tagewerk, wir müssen motoren. Da uns die Schweinswale an diesem Tag offenbar wohlgesonnen sind, sichten wir um 1800 noch einmal zwei Schweinswale und um 1815 den Letzten. Längst ist Flügge in Sicht, vorsichtig passieren wir den Sandhaken und haben bald Orth/Fehmarn voraus (u.l.). Um 1910 sind wir fest. Nein, noch nicht ganz, denn ausgerechnet der Hafenmeister übernimmt die Vorleine und kann sich die Bemerkung, "... erst bezahlen, dann festmachen", nicht verkneifen. Willkommen in Orth.
Wieder einmal verzaubert die Abendsonne den Hafen in südliches Flair. Dass wir auf der Terrasse des Piratennestes sogar noch einen Platz an der Sonne ergattern setzt diesem Tag die Krone auf. Einzig eine mehr oder weniger durchgeknallte Möchtegernfotografin aus Hamburg gibt lautstark ihren Genieverdacht gegen sich selbst zum Besten und nervt das amüsierte Publikum. Was für eine Show - ich meine den sundowner.
Sonntag, 04. Mai, Orth/Fehmarn - Heiligenhafen
Seewetterbericht: Ost 2 -3, Frühnebelfelder
Das Wetter kann nicht schöner sein. Wie gewohnt schlafen die Mädels als wir ablegen. Die sind in einer völlig anderen Welt unterwegs und dabei so was von zufrieden. Sie stören uns nicht beim Segeln und wir lassen sie in ihrer Welt, trotzdem sind die Ladies nach dem Erwachen heute irgendwie zickig – vielleicht weil es nun wieder nach Hause geht? Die Dschunxx haben da ganz andere Sorgen, drehen langsame Kreise und kalibrieren Autopiloten und Windgeber.
Dann mit Maschinenfahrt weiter über den Fehmarnsund - von Wind kann keine die Rede sein. Eine andere Segelyacht kreuzt unseren Kurs unter Motor und produziert beinahe eine Havarie. Einen Moment denke ich, die sind im Fahrwasser, nehme Fahrt raus und lasse die Yacht passieren, doch dann ruft ein Segler: "Wir sind nicht besoffen, wir üben nur!" Das war richtig knapp. Klar waren die ausweichpflichtig, rechts vor links, das Fahrwasser kommt doch erst noch.
Eine halbe Stunde später sind wir im Fahrwasser nach Heiligenhafen. Dummerweise wettet Klaus, dass er ohne den Pfahl zu touchieren in die Box fahren wird. Wetten, dass er verlieren wird? Bootsbreite 3,68 m; Abstand zwischen den Pfählen 3,70 m. Vergisses, Klaus, um 1300 ist der Mädchentransport in den Mai zu Ende.
Klaus zu diesem Logbuch ein paar Tage später: Wie immer lustig geschrieben und dass Du noch gewinnst war ja klar, grins. Männer unter sich, kommentiert der Autor.