Hast Du am Wochenende Zeit?
Nein, eher nicht, wir hab'n schon das Segelwochenende gestrichen, weil wir am Haus arbeiten müssen.
Ich will mir ein Boot kaufen, hier in Hannover, auf dem Kanal in Seelze.
Wahas? Naja, wenn's nicht so lange dauert..., aber von Motorbooten hab' ich überhaupt keine Ahnung...
Vier Augen sehen mehr als zwei!
Na gut, sage ich zu - und bin sowas von neugierig.
   

Monika gehört auf's Wasser. Nach dem Zimmer in Altona mit Blick auf die Elbe, dem Job in Bremen, ersten Segelerfahrungen, ihrem Hausboot in Hameln und einer langen maritimen Durststrecke in Braunschweig nun endlich wieder in Hannover an der Leine. Schließlich kommt man von hier aus überall hin - auch auf dem Wasser. Nach Hameln sowieso, in die Gegenrichtung nach Bremen erst recht (immer via Minden). Hamburg? Elbe-Seitenkanal. Der Mittellandkanal erschließt die maritime Welt.
   

Drei Tage später bin ich "Bootssachverständiger", treffen wir auf einen Eigner ohne Führerschein, klappe ich Polster hoch, tauche unter die Vorschiffskojen, überprüfe die Gasanlage - was, kein Zertifikat? Fäkaltank? Gibt's nicht! Maschine mit Wellenanlage, Zweikreiskühlung, Warmwasserboiler, Ebersbächer Standheizung, Landstrom. Was für ein Steuerstand - trotzdem alles irgendwie vertraut, eigentlich fehlen nur die Segel. Propeller links- oder rechtsdrehend? Weiß ich nicht, sagt der Eigner.
   

Auf "SALTY DOG" muss die "Tochter" die Eltern skippern, also folgt mit Tochter und Vater ein kleiner Törn auf dem Lindener Zweigkanal. Sagt man Binnen überhaupt Törn? Keine Ahnung. "SALTY DOG" riecht nach Linoleum, kaltem Rauch und irgendwie nach abgestandenem Plüsch, das lässt sich ändern. Feuerlöscher und hässliche Feststoffwesten gibt's, der Rettungsring fehlt und das Sumlog läuft nicht - steckt vermutlich voller Algen, das kenne ich von "Kalami".
   

Auf Kurs zur künftigen "Wasserstadt" in Hannover-Limmer darf jeder mal an's Ruder. Wie schon seit vielen Tagen ist es so hochsommerlich heiß, dass im Kanal gebadet wird. Unter der schattigen Kuchenbude stört nur der 45 PS Mercedes-Diesel die Idylle. Für die Langstrecke sind Ohrstöppsel zu empfehlen oder das Radio noch lauter - so wird "SALTY DOG" zum Musikdampfer.

Und wie ist dieser Musikdampfer zu seinem abenteuerlichen Namen gekommen?

Ein "Salty Dog" ist im amerikanischen Sprachgebrauch ein mit allen Wassern gewaschener Seebär - wir würden vermutlich "Salzbuckel" sagen oder gern mit Achim Reichel "Kuddel Daddeldu". Solche Dschunx waren (und sind?) für romantische Mädels nach wie vor begehrte Liebhaber. Dass der Begriff bezüglich eines gewissen maskulinen Körperteils auch eine sexuelle Metaphorik hat, ist nahe liegend.

Also wurde über "Salty Dogs" viel erzählt - und gesungen. "A Salty Dog" von Procol Harum ist sicher die bekannteste (und für mich schönste) Fassung. Der Ursprung dieses Liedes ist nicht zu ermitteln. Die 1924 erstmals notierte Version stammt von "Papa Charlie Jackson". 1926 spielten "Freddie Kappard and his Jazz Cardinals" und 1935 "The Morris Brothers" den "Salty Dog Blues". 1964 folgte die Neuauflage mit "Jerry Garcia with the Black Mountain Boys" und nun war es nicht mehr weit zu Procol Harum (1968) oder Roger McGuinn von den Byrds.

Bleibt die Frage, was sucht ein Salziger Hund hier im süßen Kanalwasser? Kennt irgendein Vorbesitzer diese Geschichte? Vermutlich nicht, aber Monika wird's freuen. Wahrscheinlich schnappt sie sich ihre Geige und so gegen Weihnachten erfährt der "Salty Dog Blues" seine hannöversche Neuauflage. Hören wir mal in den "Salty Dog" von "Procol Harum" rein:

All hands on deck, I've run afloat!, I heard the captain cry
explore the ship, replace the cook: let no one leave alive!
Across the straits, around the horn: how far can sailors fly?
A twisted path, our tortured course, and no one left alive

We sailed for parts unknown to man, where ships come home to die.
No lofty peak, nor fortress bold, could match our captain's eye.
Upon the seventh seasick day we made our port of call.
A sand so white, and sea so blue, no mortal place at all

We fired the gun, and burnt the mast, and rowed from ship to shore.
The captain cried, we sailors wept: our tears were tears of joy.
Now many moons and many junes have passed since we made land.
A salty dog, this seaman's log: your witness my own hand

 
   

Danach die "Heimreise" mit den abschließenden Vertragsverhandlungen (rechts) und an dieser Stelle gratulieren wir Monika zur Remise auf dem Wasser. Längst hat sie sich zur Fahrschule angemeldet, aber wenigstens bis zur bestandenen Prüfung darf ich vielleicht auch mal fahren.

Wer neu auf dieser Seite ist und sich ebenfalls auf eine Prüfung vorbereiten möchte, der klicke auf diesen Link und scrolle sich nach unten durch. Interesse am Tuckern über Flüsse und Kanäle? Hier der Link zum Deutschen Motoryachtverband. Hier erfährst Du auch die Prüfungstermine - über die örtlichen Prüfungsausschüsse.

Ein paar Tage später ...

sind alle technischen Formalitäten mit Bank, Versicherung, Vorbesitzer und dem neuen Liegeplatz geklärt, "SALTY DOG" wird von Seelze nach Hannover-Limmer überführt. Die 5 km macht der Musikdampfer locker und es ist wirklich ein maritimes Vergnügen, sich Hannover vom Wasser aus zu nähern. Überall wird in diesem tropisch heißen Sommer gebadet, sind Menschen in Booten unterwegs, sodass wir gelegentlich langsame Fahrt machen müssen, um "Sog und Wellenschlag" zu vermeiden.
   

Hier wird "SALTY DOG" verabschiedet. Ob bei den Vorbesitzern Tränen fließen ist nicht überliefert, nur, dass wir zu sehr rechts fahren - Unsinn.
   

Bei km 149,50, kurz vor der Schleuse zum Leine-Abstiegskanal, die Ankunft im neuen Heimathafen, im Niedersächsischen Motorbootclub Hannover. "Das hier kenne ich doch", erinnere ich mich fünf Jahre zurück, "hier haben wir die praktische Prüfung für den Sportbootführerschein See abgelegt". Okay, das war 2001 und jenseits von Prüfungsstress lege ich mit vorsichtigem Schwung, und eben diesem Führerschein in der Tasche, 2006 hier erstmals wieder an. Wir sind da.

Das abschließende Captainsdinner wurde lieber auf solidem Lindener Parkett als auf der schwankenden "SALTY DOG" eingenommen.

Allzeit gute Fahrt.