Jan, 12 Jahre, mit 5 km Tretbooterfahrung und wie sein ...
    

Vater Eckart angehender Taucher. Eckart war schon mal an der Küste,
    

... Bernd auch und einmal mit dem
Skipper auf dem Steinhuder Meer.

Freitag, 21.07.06 Von Heiligenhafen bis zum Einbruch der Dunkelheit …

NW 4 -5 W drehend, Schauerböen, See 1 m

Na klar beginnt die Sicherheitseinweisung zunächst ganz unten, Seeventile, WC, Schwimmwesten und endet beim „Mann über Bord Manöver“ an Deck. Die ersten Vokabeln hatten die Dschjunx schon zuhause gelernt, aber jetzt können sie die „Begriffe“ anfassen oder wenigstens sehen. Dann Wetterlage und Törnbesprechung. Bei Westwindlage bleibt uns eh nur ein Törn in die Lübecker Bucht, Travemünde? Heute jedenfalls nur bis zum Einbruch der Dunkelheit, entweder Großenbrode oder Grömitz – nicht unbedingt meine Traumziele, nun gut. Die nächsten Vokabeln gibt's beim Seeklarmachen, Segelkleid, Bändsel, Schot, Winsch … und endlich die Rolleneinteilung für das Hafenmanöver, Vater & Sohn vorne, Bernd und ich die Achterleinen. Schnell sind wir draußen und bereits um 1700 Uhr sind Groß und Genua gesetzt.

Damit beginnt für die neuen Seeleute auch gleich die Fahrschule und es prasseln ab sofort unendlich viele Eindrücke & Informationen auf die Dschjunx ein. Außerdem rollt „Kalami“ leicht in der Dünung und sorgt damit für „eine leichte Übelkeit“, die nach der Fehmarnsundbrücke, nun auf Südkurs unterwegs, schnell wieder verfliegt. Derweil entdeckt der jugendlichste Teil der Besatzung die coolsten Ecken von „Kalami“.
    

Für Jan ist das See-WC am coolsten, die Dreieckskoje im Vorschiff ist auch cool und echt cool (aber eingepickt) der Platz im Bugkorb oder doch bei Papa auf den Fendern?

    

Bei 4 Bft. und Halbwind lässt Bernd, der hier gerade seine Bewerbung zum 1. Steuermann abgibt, Großenbrode lieber an Stb. liegen, "... bis Grömitz werden wir es sicher schaffen". Nun kommt das GPS in's Spiel, dass nicht nur ständig für eine neue Ankunftszeit sondern immer wieder für neue Fragen sorgt. Wie gut, dass der SSS-Unterricht seine Früchte trägt. Dameshöved kommt näher, einer der markanten Punkte aus meiner Prüfungsaufgabe in Navigation und schließlich bestimme ich mit Jans Hilfe sogar den Ob (gesprochen Obee, für beobachteten Ort), durch eine Kreuzpeilung. Dann wird Brot geschnitten, Senf kommt auf den Tisch und wir schaffen 13 heiße Würstchen - von wegen einseitige Ernährung! Alkohol? Gibt's unterwegs grundsätzlich nicht, lieber zum Dessert den Leuchtturm von Dameshöved, aber da wir nicht mit vollem Munde sprechen, lassen wir lieber das Wasser- und Schifffahrtsamt Lübeck zu Wort kommen:

http://www.wsa-hl.wsv.de/wasserstrassen/bauwerke/leuchttuerme/lt_dahmeshoeved
    

Geographische Lage:

54° 12' 12" nördl. Breite,
11° 05' 30" östl. Länge
Bauzeit: 1878/79
Turmhöhe: 28,8 m
Lichtpunkthöhe: 33,7 m
Baumaterial: Backsteinmauerwerk
Architekt/Erbauer: Civilingenieur LA.Veitmeyer

Allgemeines:

Auf halbem Weg von Fehmarn nach Travemünde ist der Leuchtturm Dahmeshöved an einem Küstenvorsprung auf einer Geländehöhe ("höved") errichtet worden. Er dient der Schifffahrt in der Mecklenburger Bucht als Orientierungsfeuer. Sein früherer rotweißer Anstrich wurde 1982 entfernt. Das an den Turm angebaute Wohnhaus, das Maschinenhaus und ein 1939 errichteter Beobachtungsturm werden heute privat genutzt. Im Wachturm beobachteten die Leuchtturmwärter rund um die Uhr die Wetterlage, um bei Nebel die direkt an der Steilküste errichtete Luftnebelschallanlage (LNS) in Betrieb nehmen zu können (Tonhöhe 300 Hz, Kennung = Morsebuchstabe "D").

Aus dem bequemen Halbwindkurs wird nach Passieren von Dameshöved natürlich ein Amwindkurs und da ziiiiiiiiieht sich die erwünschte Ankunftszeit ganz schön in die Länge. Um 2040 Uhr bergen wir die Genua, schalten den Jockel ein und eine Stunde später stehen wir vor der Hafeneinfahrt von Grömitz. Es ist gerade noch so hell, dass uns die roten oder grünen Tafeln in den Boxen gut erkennen können. Theoretisch müsste das Anlegemanöver klappen, alle Handgriffe sind besprochen, wenn nur der Skipper an den Bootshaken gedacht hätte, aber einmal kurz rückwärts und dann ist auch die zweite Achterleine fest, geschafft.

Wie es sich gehört, wird der Ankommensschluck mit Neptun geteilt. Seinen Segen haben wir also, nur Sherryfreunde werden meine Seeleute auf diesem Törn wohl nicht mehr. In das Nachtleben von Grömitz mag sich die Crew nicht mehr stürzen, die Dschjunx hängen lieber unter der Petroleumfunzel im Cockpit ab. Seemannsgarn macht so eindrucksvoll die Runde, dass ich spät in der Nacht Captain Ahab's Holzbein vorn auf der Back höre: Pock, pock, pock ... und wieder drei Schritte, pok, pok, pok ...

… oder ist das etwa der Hafenmeister? Der klopft jedenfalls um 0815 Uhr unmissverständlich an den Bugkorb. Moin, 13 € Liegegebühr, 10 € Pfand für den Waschhausschlüssel, Brötchen gibt's da hinten. Als DP07 wenig später beim Frühstück den Wetterbericht singt, ist das natürlich kultig und als endlich der neue Tankgeber eingebaut ist beginnt das zweite Abenteuer auf See.

Also, nach der HAZ zum Frühstück ...
    

... wieder raus auf See

Samstag, 22.07.05 Von Grömitz nach Orth/Fehmarn

W 4, zunehmend 5 – 6, Schauerböen

Um 1315 Uhr sind wir draußen vor der Tür. Die Genua zieht uns raumschots mit Kurs auf Dameshöved und achteraus wird es bald ziemlich finster, Travemünde und die Mecklenburger Küste verschwinden hinter düsteren Wolken. Als wir Dameshöved passieren, gibt es den ersten Notruf von einer Yacht, die vor Grömitz!!! ein in Not befindliches rotes Boot gesehen haben will. Da wir ca. eine Stunde entfernt sind und hören, dass der Rettungskreuzer unterwegs ist und uns bestimmt 5 Yachten mit Kurs auf Grömitz begegnet sind, bleiben wir auf Kurs. Wenig später der Notruf der weit entfernten „Summerwind“, die mit Ruderschaden manövrierunfähig auf den Brandungsgürtel vor Rerik zutreibt. An Bord ein Ehepaar mit ihren beiden Enkelkindern. Was ist bloß „hinter“ uns los? Wir haben 4 Bft., in Böen manchmal 5, aber es ist weit und breit keine ernsthafte Gefahr auszumachen. Dann hören wir, dass Bremen Rescue die Koordination des Einsatzes übernommen hat, ein Hubschrauber unterwegs und der Rettungskreuzer in 27 Minuten eintreffen wird. Zwischenzeitlich meldet die „Summerwind“, dass die Notpinne nicht funktioniert und der Anker nicht hält. „Hier geht nichts mehr“, die Anspannung des Skippers ist deutlich zu hören und ich bin froh, dass ich all diese Dinge bei der Sicherheitseinweisung angesprochen habe.
    

30 Meilen nordwestlich der „Summerwind“ werden wir gelegentlich von ein paar Schauern zum Kleiderwechsel genötigt, während zum Havaristen eine Schleppverbindung hergestellt wird. In Zusammenarbeit mit Booten von Zoll und Bundesgrenzschutz werden die Enkelkinder von der Besatzung des Seenotrettungsbootes „Woltera“ (Station Kühlungsborn) abgeborgen und in Sicherheit gebracht. Das Skipperpaar unterstützt natürlich die Bergungsarbeiten, sodass ihre Segelyacht freigeschleppt werden kann. Wenig später wird der Hubschrauber Richtung Kiel entlassen. Das war knapp. Später erfahre ich, dass an diesem Wochenende die Boote der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger rund 50 Freizeitskipper bei stürmischer See

aus Gefahrensituationen gerettet haben. Schäden an der Besegelung und an Ruderanlagen, Mastbrüche, Motorschäden und Navigationsprobleme waren die Ursachen für weitere Einsätze. Aus unmittelbarer Lebensgefahr rettete die Besatzung des Seenotrettungsbootes „Wilma Sikorski“ (Station Wangerooge) der DGzRS bereits Freitagabend (22. Juli 2005) drei Segler aus Wilhelmshaven, deren Segelyacht im Seegatt zwischen Spiekeroog und Wangerooge gesunken war. Also Hut ab und eine Spende ins Schiffchen. Wer mal zur DGzRS rüberzappen will:
http://www.dgzrs.de

Inzwischen haben wir die Ansteuerungstonne zur Fehmarnsundbrücke erreicht. Hier fällt der Wind westlicher ein und die Genua allein reicht nun nicht mehr. Schnell wird das Groß gesetzt und wir nehmen wieder mehr Fahrt auf. Fünf Minuten später liegen wir auf der Seite, der Sund wird hier zur Düse und das ist für diese Crew entschieden zu viel, also rein mit der Genua, das Groß dichtgeholt und mit Maschinenkraft gegenan. Wir fahren wieder so aufrecht, dass die Crew ganz entspannt per Handy die Ergebnisse vom Zeitfahren der „Tour de France“ einholt, als gäbe es eine Liveschaltung zu Klaus Angermann, sage ich dir. Damit nicht genug, westlich der Brücke nimmt der Wind weiter zu, der Wetterbericht hatte ohnehin 5 – 6 versprochen und so kommt es auch, obwohl der 1. Steuermann garantiert 7 Bft. gefühlt haben will.
    

Bei Strukkamphuk bergen wir das Groß und feiern die überstandene stampfende See, als wir den Fehmarnsund mit Kurs auf Orth hinter uns lassen. Vor Freude kratzt Bernd so dicht an den Bojen vorbei, dass sie beinahe eine Pirouette drehen, cool. Leider finden wir in Orth keinen freien Parkplatz und müssen ins "Päckchen". Auf diese Situation habe ich die ehrgeizige Crew leider nicht vorbereitet, also brauchen wir am besten ein Boot in Lee und lassen uns gut abgefendert, mit Windunterstützung vorsichtig an die holländische „Maran“ schieben. Ganz leicht drücken die Fender an den Holländer und der anfangs etwas knurrige Skipper wird, als die Leinen fest sind, immer gesprächiger, wo kommt ihr her, wie war das Wetter und dass sie Morgen gegen 0930 Uhr loswollen. Kein Problem, sagt die Crew bereits auf dem Weg ins "Piratennest" und hat einen Seebärenhunger. Nur steckt das "Piratennest" leider so voll hungriger Piraten, dass sich die "Kalami"-Besatzung ein bisschen grummelig an der Wartetheke wiederfindet. Dabei zischt das Jever nur so und als wir endlich an den Tisch wechseln haben bestimmt 5 Liter (gefühlt) den Behälter gewechselt. So sind Piraten.
    

Eckart schießt päckchenweise Fotos. Übrigens ein Wochenende zurück gibt es noch mehr Fotos aus Orth + umzu.

Sonntag, 23.07.05 Von Orth/Fehmarn zurück nach Heiligenhafen

Den Wetterbericht haben wir verpasst...

… aber für das kurze Seestück können wir das Wetter ja "sehen". Trotzdem, zur Strafe wartet jede Menge Arbeit auf uns und ein Lehrstück für den Skipper. Der Leitsatz, "verlasse nie einen sicheren Hafen", wird in Zukunft auch heißen, "verlasse nie einen sicheren Liegeplatz", denn in der Annahme, dass an einem Sonntag um 1000 Uhr längst ein Platz in einer Box frei sein müsste, geben wir unseren Platz an der Seite der "Maran" auf. Dabei hätten wir sie rauslassen und gleich an die Kaimauer gehen sollen, denn in der Boxenreihe runter bis zur Hafenausfahrt finden wir keinen freien Platz. Wo frühstücken wir jetzt und wo verkleinern wir die Segel? Prompt geht in der Aufregung auch noch Eckarts linker Schlappen über Bord und das Birkenstoppmanöver wird zum Flop, weil die Korksohle bereits im zu flachen Wasser treibt – später fischt unser Taucher den linken Ökotreter mit dem Käscher aus dem Hafenwasser.

Also schnell zurück an den ex-Liegeplatz der "Maran", doch dorthin hat bereits die "Gloria" verholt. Die noch nicht abgefrühstückte Crew wird langsam unruhig, aber als eine Motoryacht ihren Platz räumt, gehen wir holterdipolter in die Box - doch da lauert schon der Hafenmeister und kündigt den Platzinhaber für 1100 Uhr an. Wenig später läuft eine 8 m Yacht aus und hinterlässt eine kurze Lücke an der Kaimauer, die wir nur durch Eindampfen in die Vorspring packen können. Also raus aus der Box und auch das Eindampfen gelingt vorzüglich. An dieser Stelle mein Dank an die Skipper Bernd und Jens von der DHH in Glücksburg für das intensive Training solcher Manöver.
    

Nachdem nun in Ruhe zu Ende gefrühstückt, das kleine Vorsegel drauf und das Groß gerefft ist, dampfen wir um 1215 Uhr in die Achterspring und kommen dann locker vorwärts von der Kaimauer weg. Nun ist die Crew für beinahe alle Hafenmanöver fit - und das nach drei Tagen! Schon im Hafen geht das einmal gereffte Groß nach oben und noch im Fahrwasser segeln wir Heiligenhafen mit 5 kn entgegen. Der Halbwind kommt mit 5 Bft. aus W und es scheint, als hätten wir die richtige Segelgarderobe gewählt, „Kalami“ segelt mit wenig Lage und die täglich stärker werdende Crew verträgt bestimmt noch die Fock hoffe ich, zumal das Segel nass ist und trocken beim Segelmacher ankommen soll. Gut, mit der Fock schieben wir ein bisschen mehr Lage, aber daran haben alle ihr Vergnügen.
    

Der nächste „Kursabschnitt“ heißt nun Wegerecht und Plotten: Wer hat eigentlich „Vorfahrt“ und sind die oder wir schneller? Ist die Vorfahrt im Fahrwasser anders geregelt? Die Crew ist immer noch neugierig und das ist doch ein gutes Zeichen. Inzwischen kommt durch die zunehmende Welle richtig Bewegung ins Schiff und Bernd wird nun vom 2. Steuermann Eckart abgelöst. Die beiden machen das richtig gut und wenn sie im Hafen gefragt werden, wie's draußen ist, snacken die wie ein alter Salzbuckel. Um 1335 Uhr erreichen wir das Fahrwasser nach Heiligenhafen und nach den vielen Proben in Orth legen wir um 1400 Uhr ein fantastisches Anlegemanöver hin. Wow!
    

Was noch? Aufklaren an Deck und von Reinschiff haben alle schon mal gehört. Frischwasser wird gebunkert, die trockene Fock in der Kuchenbude gestaut - der Segelmacher wird sie morgen abholen. Zum guten Schluss trifft die Bemerkung, dass an den drei Tagen so viel wie sonst in 14 Tagen passiert ist, den Nagel auf den Kopf. Alle Wetter Dschjunx.

Übrigens hat Eckart diesen Törnbericht nicht nur mit einigen Fotos veredelt, da ist noch was anderes passiert ...
Jedenfalls erfahre ich erst ein paar Wochen später, dass ihn das Segelvirus gnadenlos "infiziert" hat. Ein halbes Jahr nach diesem Törn hat er bereits erfolgreich SKS-Theorie mit der Prüfung abgeschlossen. Was sich noch daraus entwickelt hat findest Du im Logbuch 2006.