Aus dem Logbuch der  «Rasmus»

…viel schneller als erwartet hat mich die dänische Südsee wieder. Die Vorgeschichte ist schnell erzählt. Meine langjährige Doppelkopfrunde will erstmals gemeinsam auf Tour. Vielleicht eine Woche in den Alpen wandern, eine Fahrradtour oder einfach so von Hannover aus losmarschieren. Und so werden jahrein, jahraus dieselben Vorschläge diskutiert, kommentiert und wieder verdrängt, bis meine Idee mit einem Segeltörn überraschend alle vier Kartenspieler begeistert. Für mich ist das ein Fünfer im Lotto, weil ich erstmals als Skipper meine Segelkenntnisse auf einer Charteryacht in die Praxis umsetzen kann. Also nutze ich die langen, segelfernen Winterabende, suche im Internet nach der passenden Yacht und finde in der «Rasmus», eine Hansa 315, 9,45 m lang, 2,95 m breit und mit 1,65 m Tiefgang unser Traumschiff. Das richtige Boot zum fairen Preis. Sogar eine Heizung ist an Bord. Ende April weiß man ja nie…

Beim Doppelkopfabend werden nun erstmals SeeKarten betrachtet sowie eine Ausrüstungs- und Proviantliste erstellt (Tipps dazu gibt es im Internet reichlich – s. S. 49). Der immer noch frisch gebackene Skipper deckt die zukünftigen Seeleute mit identitätsstiftender Literatur ein. Dabei werden Rollen, wie z.B. für Navigation, Wetter, Kombüse, Sicherheit oder Maschine vergeben und damit wird die Vorfreude immer größer. Wie viele Wochen sind es noch?

Schon seit Tagen bereite ich mich jeden Abend intensiv auf meinen ersten Skippertörn vor. In den Seekarten suche ich interessante Häfen oder gebe am eigenen GPS-Handy die Wegepunkte für die „dänische Südsee“ ein. Dieses Fahrtgebiet habe ich ausgesucht, weil ich bereits einige Häfen kennen gelernt habe. Dann ist wenigstens nicht alles neu. Bei ebay erwische ich Bücher über die Inseln der Ostsee und freue mich besonders über die beiden Standardwerke von Jan Werner „Segeln in Dänemark“.

Freitag: Jetzt geht’s los.

Am Abfahrtstag sammelt Andreas in Hannover zunächst Bogi, Jörg und zuletzt mich ein. Mit viel Vorfreude, aber auch mit ein wenig Skepsis und Respekt vor der selbst gestellten Auf-gabe erreicht die Crew am Freitagnachmittag Ortmühle, ein kleiner Yachthafen in der Lagune von Heiligenhafen. Natürlich bringt jeder viel zu viel Gepäck mit an Bord, doch Bogi wird bei solchen Aufgaben zum Verpackungskünstler. Wer gehört eigentlich noch zur Crew?

Bogi, zuhause Hobbytraktorist auf einem Porsche-Diesel-Schlepper ist natürlich auch an Bord Maschinist und zuständig für die Kombüse, bzw. den Proviant. Bogi hat zwar ein paar Tage sommerliches Mittelmeersegeln hinter sich, „aber Wind hatten wir damals kaum“, erzählt er.

Andreas ist als Co-Skipper mit für die Navigation zuständig. Er gehörte zur legendären Eignergemeinschaft der «Kappa Due» (K2), einem Katamaran, der vor einigen Jahren zwischen den griechischen Inseln unterwegs war. Andreas hat den A-Schein (Binnen).

Jörg bringt zwar keine Segelerfahrung mit, dafür aber Respekt vor der bevorstehenden Aufgabe und wird sich deshalb um die Sicherheit an Bord kümmern. Immerhin ist er mit Ralf bereits in einer Böe bis Windstärke 9 auf dem Steinhuder Meer „gesegelt“.

Meine Geschichte kennste ja schon. Nach der mit dem Sportküstenschifferschein (SKS) gerade abgeschlossenen „Berufsausbildung“ und bald zwei Jahren mit der eigenen „flexibel“ wird mir das Steinhuder Meer langsam zu klein.

Als wir unser Schiff, die «Rasmus», im Hafen entdecken wird mein Respekt noch größer. Damit werden wir fahren? Kann ich dieses Schiff überhaupt steuern und wie wird die unerfahrene Crew damit fertig? Einige Zweifel überkommen mich schon, schließlich sind wir alle absolute beginners. Die Übergabe der Yacht verläuft überraschend unkompliziert und beinahe freundschaftlich. Herr Petersen, der Eigner der «Rasmus», geht Position für Position seiner Ausrüstungsliste durch und ich verbinde das gleich mit der Sicherheits-einweisung. Vieles ist mir geläufig und selbstverständlich, aber einige Dinge kenne ich auch nicht. An dieser Stelle bewährt sich die am heimischen Kartentisch festgelegte Rollen-aufteilung, denn jetzt fragt die Crew die in ihrem Zuständigkeitsbereich liegenden unklaren Positionen nach. Die Last liegt nicht allein bei mir – ein gelungener Einstand.

Wenig später gehen wir standesgemäß beim Aldi Einkaufen. Zwei Einkaufswagen werden gefüllt und dabei wird wirklich Wert auf gesunde und ausgewogene Ernährung gelegt. Gemüse und Obst, selbst frische Petersilie wird gestaut. Bier kommt erst gar nicht mit an Bord, der Wein ist schon Herausforderung genug. Als alles gestaut ist und Herr Petersen noch die frisch überprüften Schwimmwesten und Lifebelts vorbei bringt, brechen im Skylight (Fenster) des Salons die (wohl schon maroden) Poppnieten, als Jörg „mit keiner Gewalt“, was wir ihm natürlich gern glauben, das Oberlicht aufdrückt. Herr Petersen ist zwar im ersten Moment ziemlich genervt, wird aber am Samstag vor dem Auslaufen noch einmal vorbeikommen und das Oberlicht reparieren.

Im Restaurant „Seestern“ beenden wir diesen Tag standesgemäß mit dem „Matrosenteller“, bevor wir die erste Nacht tatsächlich wie Matrosen an Bord schlafen. Morgen früh laufen wir aus. Hier verraten wir schon einmal unsere Reiseroute:

Von Heiligenhafen über Bagenkop, Marstal, Lyø, Maasholm und Arnis an der Schlei, zurück nach Heiligenhafen/Ortmühle.

Samstag: Heiligenhafen/Ortmühle – Bagenkop

Der Seewetterbericht für die Westliche Ostsee: Wind aus Südost, mit 4 Beaufort, Regen.

Draußen ist es saukalt und es regnet in Strömen. Von Wind keine Spur, doch vielleicht liegt in der Ruhe das Geheimnis dieser Crew. Nachdem wir die erste Nacht an Bord analysiert und überraschend festgestellt haben, dass ganz andere Crewmitglieder als vorher ange-kündigt mit ihren Schnarchgeräuschen die nächtliche Unruhe veredelt haben, bereiten wir uns ein ausgiebiges Frühstück. Nur der Skipper hat sich vorgenommen, von Knäckebrot und überhaupt ziemlich reduziert und ganz gesund zu leben, was ihm in dieser Konstellation nicht immer gelingen wird. Jörg, inzwischen ebenfalls Anhänger dieser körperbetonten Lebensweise, will gleichfalls in der neuen Welt Fuß zu fassen, doch auf See wird er zum Wanderer zwischen der Knäcke- und Weißmehlfraktion.

Nachdem Herr Petersen das Oberlicht repariert hat, kommt endlich Wind in die Lagune von Heiligenhafen und die verzaubert sofort die vom Regen getrübte in eine Aufbruchsstimmung. Wir nutzen diesen Motivationsschub für einen ausgiebigen Blick in die Seekarte und die dann folgende Tagesbesprechung. Der Skipper hat sich vorgenommen, Rituale einzuführen damit die Crew in alle Überlegungen und Entscheidungen eingebunden ist. Nach Abwägung aller Umstände bestimmen wir Spodsbjerg, auf der Ostseite der dänischen Insel Langeland, zum Tagesziel. Bis in diesen Hafen sind es 34 Meilen, die wir uns zum Auftakt, mit Wind von achtern, auch zutrauen. Nun werden ins gewöhnungsbedürftige bordeigene GPS die Wege-punkte eingegeben, die ich bereits zuhause auf meinem „GPS-Handy“ als Routen gespeichert habe. Doch so ganz klappt das nicht, Routen nimmt das betagte GPS nicht an, aber wenigstens ein Wegepunkt geht immer rein.

Gegen 10 Uhr lässt der Regen endlich nach und jetzt gehen wir an Deck die Rollen ausführ-lich durch. Andreas und Bogi gehen auf’s Vorschiff, Jörg teilt sich achtern mit Ralf die Arbeit. Jetzt kann’s losgehen. Um 10.45 Uhr kommt das Kommando „Vorleinen los“ und mit „Maschine rückwärts“ zieht uns der Volvo-Penta-Diesel langsam aus der Box, d.h. so hätten wir das jedenfalls gern gehabt, wenn nicht noch die Fender außenbords hängen und uns in der Box festhalten würden. Die Backbordfenderleinen sind so vertüddelt, dass ich noch einmal vorwärts geben muss, damit die Leinen gelöst werden können, aber die Hansa 315 lässt sich auf engem Raum wunderbar manövrieren. Jetzt geht’s wirklich los.

10.30 Uhr: Da Ortmühle und Heiligenhafen durch das Graswarder von der Ostsee getrennt sind, muss die Lagune an der Ostseite verlassen werden. Eine Untiefentonne kennzeichnet am Ende den Weg ins freie Wasser. Hier werden wir das Großsegel setzen. Doch womit? Solange wir auch am Großfall holen, das Segel bewegt sich keinen Millimeter. Und die Dirk, was ist mit der Dirk? Ebenfalls Fehlanzeige. Schließlich findet Andreas die Lösung. Die Dirk ist gar nicht geschoren, sondern dauerhaft an der Baumnock angeschlagen und das Großfall hängt ebenfalls an der Baumnock, damit es im Hafen nicht schlagen kann. Genial Andreas, jetzt nur noch das Fall einschäkeln und schon geht das Großsegel nach oben. Die Schot wird dicht geholt, wir segeln. Endlich! So wird die Dokorunde zur Crew und eine Crew ist mehr als die Summe ihrer Mitglieder. Der Star ist die Mannschaft, heißt es in anderen Kreisen.

Inzwischen haben wir uns vom GPS den Kurs geben lassen und mit 3 Beaufort aus Südwest steuern wir auf Raumschotkurs den „Wegepunkt“ 24 an. Heiligenhafen haben wir längst im Rückspiegel; zuerst die Häuser auf dem Graswarder, den Yachthafen und zuletzt die hässliche Betonburg. Vor uns liegt die Kieler Bucht. Fehmarn, mit dem Leuchtturm Flügge an Steuerbord und weit voraus die Inseln der „dänischen Südsee“.

Auf dem Wasser hin und wieder ein Anglerboot und dieses Bild muss wohl bei Andreas urplötzlich diesen Jagdinstinkt ausgelöst haben. Mit „Petri Heil“ ist er kurzerhand unter Deck, kommt mit der Angel wieder, um nun dem Dorsch aufzulauern. „Fisch gibt’s“, freut sich der interessierte Unterstützerkreis, denn ein guter Fang wird der Bordkasse gut tun. Also werden die in dieser frühen Jahreszeit sicher noch etwas ungelenken Übungen des jungen Fischers auch nicht durch verbale Kraftmeierei in Mitleidenschaft gezogen. Doch scheinbar macht der Dorsch nur um unsere Yacht einen riesigen Bogen. Da drüben auf dem Anglerboot wird ein Fisch nach dem anderen rausgeholt und wir gehen leer aus? Das bisschen Seetang am Haken ist allenfalls ein kümmerlich grünes politisches Signal, aber doch keine Mahlzeit.

Zwei Stunden später wird klar, dass wir bei der geringen Windstärke Spodsbjerg unter Segel nicht bei Tageslicht erreichen werden. Wir verständigen uns auf das neue Tagesziel Bagen-kop, am Südwestende von Langeland und der Kompasskurs wird auf 321 Grad korrigiert. Nebenbei erfährt Bogi am Kartentisch alles über das GPS und wir werfen gemeinsam einen Blick ins Hafenhandbuch. So sieht es also heute in Bagenkop aus. Vor 15 Jahren bin ich einmal mit einem Jugendsegler hier eingelaufen – ohne Maschine, weiß der Himmel warum die kurz vor der Hafeneinfahrt ausfiel. Achtern Lorenz, der Skipper, und ich an der Fock und den Vorleinen. Die Jugendlichen, von Seekrankheit oder anderen Dingen des schweren Bordlebens geplagt oder auch nicht, jedenfalls lustlos und ängstlich unter Deck. Zwei Mann also und ein 18 m Schiff bei 6 Bft. unterwegs in den Hafen, den ich heute erstmals als Skipper ansteuern darf.

Um 14.30 Uhr nähern wir uns dem Kiel-Ostseeweg und je näher wir dem Verkehrs-trennungsgebiet kommen, desto mehr Containerfrachter scheinen uns über den Haufen fahren zu wollen. Unsere erste Begegnung mit der Berufsschifffahrt wird zu einer spannenden Auseinandersetzung, für die mir die richtige Lösung erst ein paar Stunden später einfällt. Statt den Kiel-Ostseeweg rechtwinklig zu passieren, behalte ich den 321er Kurs bei und sorge damit unbeabsichtigt länger als notwendig für Spannung an Bord der «Rasmus», denn irgendein Dampfer scheint immer auf Kollisionskurs zu sein. So „erfahre“ ich die Querung einer der meist befahrenen Schifffahrtsrouten der Welt wie das Wettrennen zwischen Hase und Igel. Gelegentlich muss sogar der Motor für zusätzlichen Schub sorgen, damit wir die Berufsschifffahrt vor uns schützen können, doch die Hälfte der Besatzung liegt zu dieser Zeit irgendwie lustlos in der Koje. Liegt euch der Matrosenteller noch sooo schwer im Magen, Dschjungs?

Wenig später kann von Wind kaum noch die Rede sein und nun versuchen wir es auch noch mit der „Genua“. Eine zeitlang segeln wir sogar Schmetterling, aber um 15.30 Uhr ist auch damit Schluss, die Segel werden geborgen. Die 19-PS Volvo-Penta-Maschine muss uns nach Bagenkop schieben. Um 16.00 Uhr kommt es am südlichen Eingang zum Großen Belt erneut zu Begegnungen mit der Berufsschifffahrt, die wir unter Maschine natürlich leichter passieren können. Jetzt werden auch die „Schläfer“ in die hohe Kunst des Steuerns eingewiesen und gemeinsam verfolgen wir die Ansteuerung unseres ersten Hafens. Tatsächlich sieht es im Hafen von Bagenkop genauso aus, wie es Bogi vorher aus dem Hafenhandbuch vorgelesen hatte. Aber so viele freie Plätze habe ich gar nicht erwartet – wir sind doch in der Woche zum ersten Mai? Inzwischen hat die Crew Vorleinen, Fender und Achterleinen klar gemacht. So gut vorbereitet gelingt unser erstes Anlegemanöver ausgezeichnet. Sofort wird an Deck aufgeklart, das Großsegel noch einmal sauber aufge-tucht und mit der Persenning geschützt.

Nachdem alle Arbeiten an Deck abgeschlossen sind, gibt es - so wie mir das im letzten Jahr vermittelt worden ist - im Cockpit den Anlegeschluck für die Crew. Aus Respekt und Dankbarkeit gebührt natürlich Neptun der erste Schluck, mahnte damals Skipper Jens. Also geht zuerst ein halbes Glas Sherry außenbords, was bei der Crew unverständlicherweise für blankes Entsetzen sorgt. „Wie kannste das wegschütten!!!“, ist noch eine milde Wiedergabe der Kommentare meiner Landmänner, die mit dieser Einstellung wohl niemals kernige Seeleute werden können. Seeleute sind abergläubisch Dschjungs und hoffentlich bleibt uns Neptun, trotz eurer peinlichen Kommentare, wohl gesonnen. Nun gibt es aber trotzdem den verdienten Sherry für die Crew. Wir wünschen uns allzeit gute Fahrt und ich habe mit dem Ankommensschluck ein weiteres Ritual eingeführt, das uns nach jedem Anlegen Zeit gibt, den Törn Revue passieren zu lassen und gelungene und weniger gelungene Abschnitte in Ruhe zu besprechen.

Danach ermittle ich die Tagesbilanz und führe das Logbuch. Natürlich will jeder wissen, was der Skipper da so schreibt und so gibt es manchmal eine „Vorlesung“, meist liest aber jeder selber nach, wenigstens die Tagesbilanz:
Normal 0 21 false false false MicrosoftInternetExplorer4 /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:10.0pt; font-family:"Times New Roman"; mso-ansi-language:#0400; mso-fareast-language:#0400; mso-bidi-language:#0400;}

 

 

Gesegelte Meilen

Maschinenfahrt

Zusammen

Heute

15,0

15,0

30,0

 

Die Suche nach den Duschen wird eine herbe Enttäuschung, denn im ganzen Hafen steht, jedenfalls den Männern, nur eine einzige Dusche zur Verfügung. Dass Bagenkop derart Wasser sparen muss können wir uns kaum vorstellen, aber dass im letzten Herbst drei holländische Segelcrews das Sanitärgebäude in wenigen Minuten in Schutt und Asche legen konnten noch weniger. Seitdem zählen die „fliehenden Holländer“ zu den weniger beliebten Gästen in Bagenkop. Das sanierte Gebäude wird in wenigen Tagen wieder zur Verfügung stehen…

Eine andere Frage, nämlich wie Hannover 96 in Berlin gespielt hat, klärt sich über’s Handy und an der 0 : 2 Niederlage müssen wir schneller Anteil nehmen als uns lieb ist. Übrigen’s, in der gesamten „dänischen Südsee“ spielt sich automatisch der dänische Server TDK-mobile aufs Handy. Also, kein Problem mit dem Handyempfang, auch nicht bei Handies ohne Vertrag!

Die Niederlage der Roten lässt sich zwar durch Andreas’ Tortellini und dem durchaus schmackhaften Dornfelder von Aldi ein wenig „abfendern“, damit Sie aber auch was davon haben, hier das Rezept für „Tortellini de Andreano“:

Man nehme 800 – 1.000 gr möglichst frische Tortellini, 1 Ltr. Sahne, 200 – 300 gr. gekochten Schinken, 1 Zwiebel, Öl, Salz, Pfeffer, Muskat, ggf. gelbe und rote Paprika

Gekochten Schinken klein schneiden und in hoher, gut geölter Pfanne ca. 5 Minuten anbraten. Die klein gehackte Zwiebel dazu geben und glasig dünsten. Ggf. die klein geschnittene Paprika dazu geben. Alles mit 0,5 Ltr. Sahne köcheln lassen, mit Salz, Pfeffer und Muskat abschmecken.

„Nebenbei“: Tortellini in einen großen Topf mit kochendem Wasser geben und 5 – 7 Minuten auf mittlerer Stufe garen. Zum Schluss einen Esslöffel Mehl mit etwas kalter Sahne verquirlen und der Sahnesauce hinzufügen. Bueno!


Was folgt ist ein Abendspaziergang im Hafen von Bagenkop. Dabei entdecken wir einen Anglerdampfer mit vielen deutschen Hochseeanglern an Bord, die Fisch und Bölkstoff bevorzugt in großen Mengen vernichten. Der wenig später einsetzende Nieselregen treibt uns aber schnell weg vom Fenster und rein in die Koje.


Sonntag: Bagenkop - Marstal

Der Seewetterbericht für Belte und Sund: Südwest 4 – 6, in Böen bis 8.

Schon die Nacht hat es in sich. Gegen 5 Uhr morgens kachelt es fürchterlich. Sturmböen fegen so heftig durch den Hafen, dass das Schiff so kräftig an den Festmachern rüttelt, als wollte es schon jetzt aufs Wasser und nicht im Hafen angebunden bleiben. Allein der Schiffsrumpf reicht den Böen als lautstarke Angriffsfläche, um mich aus dem Schlafsack zu holen. Doch während auf anderen Yachten mitten in der Nacht noch vieles festgelascht wird, ist bei uns an Deck alles gesichert. Wie gut, dass wir das Großsegel mit der Baumpersenning abgedeckt haben. Als ich gegen halb acht aufwache sehe ich auf dem Oberlicht sogar noch Schnee- und Eisreste, die von der aufkommenden Sonne aufgetaut werden.

Den Seewetterbericht auf der Mittelwelle von NDR IV (702 oder 972 kHz) hören wir um 8.30 Uhr immer gemeinsam, meist sogar auch den Wetterbericht am Abend, der um 22.05 Uhr gesendet wird. Ein weiteres Ritual, das uns helfen soll, ein realistisches Tagesziel gemein-sam zu formulieren. Der Seewetterbericht weckt außerdem unverhoffte Erinnerungen an Kindheit und Jugend. Damals, als es Ultrakurzwelle (UKW) und Fernsehen längst noch nicht in jeder Familie gab, wurde der Seewetterbericht zwangsläufig in jede Wohnstube gesendet. Mir kommen dabei Erinnerungen an die weihnachtliche Sendung „Gruß an Bord“. Die war am Heiligabend aus meiner Familie gar nicht wegzudenken und ganz besonders als der Leichtmatrose Ralf Uka über die Mittelwelle gegrüßt wurde, als ich 1968 auf der „Treuenfels“ unterwegs von Marseille nach New York war.

Kennt ihr denn noch die Stimme von Hermann Rockmann und vielleicht auch noch die geheimnisvollen Namen von Seegebieten, die sich hinter Utsira, Dogger oder z.B. Forties verbergen. Hier, an Bord der «Rasmus», sind sie plötzlich Wirklichkeit. Belte und Sund, das sind wir selber und für heute heißt es dort unmissverständlich: Südwest 4 – 6, in Böen bis 8.

Nach den frischen dänischen Brötchen – ich bleibe jedoch weiterhin dem Knäckebrot verbunden – geht es in die morgendliche Törnbesprechung. Und da sich das Wetter gestern nicht an die Vorhersage gehalten hat, trauen wir dem heutigen Wetterbericht auch nicht über den Weg. Deshalb darf heute ruhig Sønderborg unser Tagesziel werden. Bis dahin sind es immerhin 32 Seemeilen und da wir nicht sicher sein können, ob der Wind tatsächlich aus Südwest einfallen wird, bietet sich alternativ ein anderer Törn über Marstal, Rudkøbing vielleicht sogar bis Svendborg an. Dabei wären wir überwiegend, zwischen den Inseln Ærø, Langeland und Fyn, auf angenehmen Raumschot- oder Vorwindkursen unterwegs.

Um 11.30 Uhr verlassen wir den schützenden Hafen und werden direkt vor der Haustür gleich mit 5 - 6 Windstärken und 1 bis1,5 m hohem Schwell empfangen. Den Seegang führe ich auf das in der Nacht durchgezogene Sturmtief zurück, also auf eine „alte“ Dünung (hier irrt der Skipper und will nicht wahrhaben, dass es mit 5 – 6 kachelt und sich demzufolge die entsprechende See aufbaut). Zunächst setzen wir wieder nur das Groß, um mit weniger Segelfläche ein Gefühl für den geplanten Kurs zu bekommen.

Die Crew ist über die heftigen Schiffsbewegungen überrascht und braucht eine ganze Weile, um sich an die neue Welt zu gewöhnen. Erst dann setzen wir die Genua zur Hälfte, denn schon jetzt fällt es schwer, den gekoppelten Kurs überhaupt zu halten. Immer wieder müssen wir das Groß öffnen, weil wir jetzt auf Amwindkurs stark krängen. Danach geht es wieder eine Weile, doch der Wind scheint sich langsam mehr auf West einzupendeln – eben nicht auf Südwest, wie der Wetterbericht vorhergesagt hatte. Ohne einen zusätzlichen langen Schlag nach Süd werden wir den Wegepunkt 3, Vejsnæs Nakke, das ist der südlichste Punkt der Insel Ærø, nicht erreichen. So kommen wir jedenfalls nicht nach Sønderborg!

Wir kämpfen und bei dem Seegang auch jeder ein bisschen mit seiner Angst. Bei mancher Böe oder Welle krängt die Yacht so stark, dass wir nicht mehr sitzen können sondern stehen müssen. Stehen und gut Festhalten. Dabei schaust du auf die gegenüberliegende Sitzbank, doch die liegt tief unter dir fast im Wasser. Was hatte ich bei den ersten Übungsfahrten auf dem Maschsee Schiss. Windstärke 4, kaum Welle, aber dafür Schneetreiben im April. Bloß nicht kentern. Erst mit dem Kentertraining habe ich mit Sabine diese Angst verloren. Seitdem bin ich hunderte Meilen gesegelt, doch für die Dschjungs ist das hier völlig neu. Respekt. Und seekrank werden sogar die ganz großen Segler: Wilfried Erdmann z.B., Bobby Schenk, Bernard Moitessier, alle sind während der ersten Tagen auf See krank.

Und so wie bei den großen Drei geht inzwischen auch bei Andreas die Stimmung den Bach runter. Von Anfang an hat er befürchtet, seekrank zu werden. Nun ist es passiert. Doch auch der Rest der Crew meldet vorsichtig Bedenken an. Sind die Wellen nicht ein bisschen zu hoch? Na klar, Recht habt ihr und da wir vereinbart haben, bei Bedarf nach Marstal abzufallen, wechseln wir um 13.15 Uhr auf Marstalkurs und bereits 45 Minuten später erreichen wir die Ansteuerungstonne der Fahrrinne. Schnell sind die Segel geborgen. Auf den letzten Metern vor der schützenden Landabdeckung von Ærø sorgen einige Grundseen für noch mehr Bewegung im flachen Wasser, bevor wir um 14.15 Uhr die Marina in Marstal erreichen.

„Backbordseite wird Luvseite“, legt sich der Skipper fest und das heißt, dass der Winddruck auf den Backbordleinen liegen wird. Diese Leinen müssen also zuerst festgemacht werden, damit wir nicht auf ein Nachbarschiff geschoben werden können. Die Vorschiffscrew bestätigt „Backbord wird Luvseite“ und dann geht es zwischen die Achterpfähle an den Steg. Schnell ist die Achterleine fest, doch die Vorleine kommt nicht schnell genug an Land, sodass der Wind das Vorschiff immer mehr nach Lee und ganz leicht auf eine dänische Yacht drückt. Natürlich verhindern die Fender eine wirkliche Karambolage und der dänische Skipper findet das auch nicht sonderlich aufregend. So was habe ich schon ganz anders erlebt. Da wir nun zwar achtern fest, aber vorn zwei Boxen weiter nach Lee gerutscht sind, sieht Bogi gar nicht ein, das Vorschiff an die richtige Stelle zu verholen und beginnt eine energische Diskussion mit dem Skipper. Der Blick auf die Achterleinen beendet diesen „Meinungsaustausch“ aber „zeitnah“.

Jörg hat diesen Tag so erlebt:


Wie immer haben wir den Tag mit einem guten Frühstück begonnen. Bei der Törnbesprechung lassen wir uns mehrere Möglichkeiten, da wir nicht ganz sicher sind, was uns auf hoher See erwartet. Es kommt noch ’mal ganz anders, als den Tag vorher. Ziemliche Windstärke und hohe Wellen von hinten. Ich weiß, dass der Jargon gar nicht im Sinne der Seefahrt ist, das stört mich aber nicht. Ich hoffe, es weiß auch jeder so, was gemeint ist. Auf jeden Fall bin ich ganz froh, dass mir Beides (Windstärke und Seegang) nicht auf den Magen schlägt. Ganz im Gegensatz zu Andreas, der sehr still ist, aber nicht jammert. Der erfahrene Skipper merkt natürlich sofort was los ist und übergibt das Ruder an den Co-Skipper.

Erst später realisiere ich die strategische Entscheidung und bin während der Fahrt über Andreas´ Künste begeistert. So hat er was zu tun und kann sich nicht mit Seekrankheit beschäftigen und er macht seine Sache super. Trotzdem entscheiden wir uns, früher als geplant anzulegen und steuern Marstal an. Dort machen wir mittags fest und entschließen uns zu einem Landgang. Der Ort ist schön, leider noch nicht zu touristischen Zwecken freigegeben. Das Schifffahrtsmuseum öffnet erst am 1. Mai und auch Cafés werden erst noch zurecht gemacht, sind also noch geschlossen. Also machen wir nur einen kleinen Spaziergang mit einer Pause in einer kleinen Bucht, wo uns die Sonnenstrahlen erfreuen und wir Kraft tanken für Abendbrot und Rotwein.

Ich bin total zufrieden über das, was hier passiert. Wir verstehen uns prima, lachen viel und lassen uns von Bogis Kochkünsten verwöhnen. Seit langer Zeit „denke ich wieder um die Ecke“, aber auch das macht nur gemeinsam (mit Andreas) Spaß. Immer ständig zusammenzuhocken bin ich ja eigentlich nicht gewohnt und ich war schon gespannt, wie das wohl wird. Aber bisher klappt das super und das wird übrigens auch für den Rest der Reise so bleiben. Ich habe selten das Bedürfnis, mich zurückziehen zu müssen. Das liegt aber auch daran, dass meine Crew auch gerne z.B. "Land in Sicht" hört und mitsummt. Vorm Schlafengehen denke ich an die weiteren Törns. Ob es wohl jeden Tag so unterschiedlich wird, wie die Reise begonnen hat?

Die Bilanz aus dem Logbuch:
 

 

Gesegelte Meilen

Maschinenfahrt

Zusammen

Bisher

15,0

15,0

30,0

Heute

 8,5

 1,0

 9,5

Gesamt

23,5

16,0

39,5

 

Nachdem Andreas lieber auf den Anlegeschluck verzichtet, bunkern wir, durch den Sherry gestärkt, Frischwasser und füllen den 90 Liter Tank wieder auf. Außerdem muss Bogi nun endlich „seine“ Flagge setzen. Schon bei der Vorbereitung drohte er mit der Totenkopf-flagge, unter der längst einige Paulifans selbst die hohe See verunsichern, doch wenigstens die sardische Flagge muss es unbedingt sein. Da versammeln sich nun wir vier schwarzen Köpfe auf weißem Grund, unter dem Vereinsstander von Herrn Petersen und gehen auf Große Fahrt. Irgendwie muss man sich ja schließlich unterscheiden.

Überhaupt scheint endlich die Sonne aus allen Knopflöchern und lockt die Besatzung zum Landgang. Ærø ist nämlich eine wunderschöne Insel. Die 25 km lange und max. 8 km breite Insel mit Hügeln, den 30 m hohen Klippen bei Voderup, mit Windmühlen, Dörfern und kleinen Städten lässt sich bequem an einem Tag mit dem Fahrrad entdecken. Wer mit dem Boot kommt hat immerhin die Auswahl zwischen den Häfen Søby im Nordwesten, Ærøskøbing oder eben Marstal im Südosten. Marstal verfügt über eine jahrhundertelange Schiffbautradition.

„Alten Salzbuckeln“ sind die dreimastigen Marstalschoner auch heute noch ein Begriff. Das wunderbare Schifffahrtsmuseum hat viele Schätze aus dieser Zeit aufbewahrt, doch vor der Saison hat das Museum, wie der Friseur eben auch, leider noch geschlossen. Ab 1. Mai – und das ist Übermorgen - haben wir täglich geöffnet. Wer zu früh kommt wird das Gefühl nicht los, dass hier noch ein paar Tage länger die Bürgersteige hochgeklappt bleiben. Da gehen wir lieber wieder an Bord. Während Andreas und Jörg „um die Ecke denken“ bereite ich dem Gurkensalat. Bogi macht sich an die Spaghetti mit Knobi, Krabben und viel Petersilie - in dieser Reihenfolge:

500 gr. Spaghetti, 2 – 3 Becher Tiefseekrabben (ca. 150 gr.), 5 Knoblauchzehen, Bruschettagewürz, 1 großes Bund Petersilie, Parmesan (den haben wir leider nicht bei Aldi gefunden), Olivenöl.

Bruschettagewürz in Wasser aufweichen. Knoblauchzehen in Olivenöl anschwitzen, gehackte Petersilie, Krabben sowie das aufgeweichte Gewürz dazu geben.

Alles unter die abgeschreckten Spaghetti heben und mit frisch geriebenem Parmesan veredeln. Als Vorspeise kredenzt der Skipper seinen Gurkensalat a la „Basine“. Lecker!

Danach kommen endlich die Doppelkopfkarten in die harten und schwieligen Hände der Seeleute aus Hannover. Zum Glück setzt niemand seine Heuer auf’s Spiel und die eigene Koje liegt am Ende wirklich näher als das in Hafennähe liegende Etablissement von Ma-dame Veronique, in dem sogar deutsch gesprochen wird, aber beschwören wird das wohl niemand.

Montag: Marstal - Lyø

Der Seewetterbericht für Belte und Sund: Südwest 5, später Südost 4, strichweise diesig.

Der Verlierer des gestrigen Doppelkopfabends ist heute zur Belohnung Skipper des Tages. Also übernimmt Bogi nach dem Auslaufmanöver um 10.00 Uhr die Pinne. Um 10.15 Uhr setzen wir in der Fahrrinne die Genua, segeln zunächst auf Halbwindkurs und wenig später auf Vorwindkurs Richtung Rudkøbing.

Ein herrlicher Segeltag. Strahlender Sonnenschein, 4 – 5 Windstärken von achtern. Die Besatzung badet in der Sonne, gut erholte Steuerleute geben an der Pinne ihre Visitenkarte ab und Andreas wird wieder vom Jagdfieber gepackt. Allein seine entspannte Mine und die lockere „Haltung“ des Jagdgerätes signalisieren Dorsch und Hering nur geringe Gefahr für Leib und Leben. Wer aber einmal bei Samy Molcho über die Körpersprache nachgelesen hat, erkennt sofort die Körpertäuschung des hinterlistigen Fischers. Klar, dass Bogi bereits nach der Pfanne sucht – um den Fisch damit zu erschlagen! Doch wie so oft wird des Fischers Glück durch äußere Umstände stark beeinträchtigt. In diesem Fall ist es die zwischen Marstal und Rudkøbing pendelnde Fähre. Es gibt eben keine Zufälle.

Vor Rudkøbing, das auf den letzten Meilen von Ærø nur über ein schmales Fahrwasser zu erreichen ist, kommt die beeindruckend große Marstalfähre immer mehr auf, sodass wir lieber nach Steuerbord aus dem Fahrwasser gehen, weil es hier immer noch 3 m tief ist. Von nun an hat der Skipper Fähre, Kurs und Echolot gleichzeitig im Blick. Da wir Rudkøbing schon fast erreicht haben, muss die Fähre jetzt ihre Geschwindigkeit reduzieren, sodass wir einträchtig nebeneinander unserem jeweiligen Schicksal entgegen fahren, bzw. segeln, denn neben der Fahrrinne wird es gleich verdammt flach. Dann haben wir nur noch 1,10 m Wassertiefe und «Rasmus» geht 1,65 m tief. Ins Fahrwasser wechseln geht nicht, da fährt ja die Fähre und neben dem Fahrwasser weiter erst recht nicht, dann werden wir gleich aufsitzen. Was nun? Ein Vollkreis über Steuerbord befreit uns aus der misslichen Lage. Genial. Wir haben Glück, die Fähre ist durch, die Wassertiefe hat ausgereicht und wir segeln jetzt im Fahrwasser – hinter der Fähre. Das Echolot sorgt noch für einen neuen Adrenalinstoß, als es mitten in der Fahrrinne 1,50 m anzeigt, dort wo eben noch die große Fähre durchgerauscht ist. Unglaublich.

Um 12.00 Uhr passieren wir Rudkøbing. Vor vielen, vielen Jahren durfte ich hier einmal helfen, einen wohl unter Denkmalschutz stehenden Segler wieder in Schwung zu bringen. Dieses verdiente Schiff sollte auf seine alten Tage noch einige gute Dienste verrichten und wenig oder schon ein bisschen mehr gestrauchelte Jugendliche zu neuen Ufern bringen. In den 80zigern waren solche Reisen die Krönungstage für marinisierte Sozialpädagogen – während heute Managementtrainings an Bord moderiert werden. Doch damals waren weder die Opfer sozialpädagogischer Bemühungen noch Manager an Bord, nachdem das Schiff wohl zwei Jahre trocken gelegen hatte. Das Eichenholz war jedenfalls noch nicht aus-reichend gequollen und auf unserer Reise von Rudkøbing nach Eckernförde zog der alte Kahn immer mehr Wasser. Windstärke 6 -7 und reichlich Krängung taten ein Übriges, bis unter Deck immer mehr Wasser einsickerte und alle Klamotten langsam aber sicher in einem Seewasser-, Ölgemisch baden gingen. Ich glaube, nur die Festmacherleinen haben den alten „Dampfer“ in Eckernförde noch über Wasser gehalten. Wenigstens gut versichert war die Firma und so kam ich zu neuen Klamotten, einem Hotelaufenthalt in Eckernförde und einem zusätzlichen aber unfreiwilligen Urlaubstag.

Während Andreas diesmal mit seiner Videocamera auf die Jagd geht passieren wir die große Brücke, die Langeland via Svendborg mit dem Alten Europa verbindet. Nach einer Weile können wir das Rudkøbing Fahrwasser verlassen. An Backbord passieren wir die Insel Tåsinge und recht voraus ist schon die Einfahrt in den bei Seglern so beliebten Svenbord-Sund auszumachen. Leider zieht der schöne blaue Himmel immer mehr zu und gleichzeitig lässt der Wind nach. Die wunderbare Fahrt durch den Svendborg Sund bei Regen? Es kommt, wie es kommen muss. Vor der Hafeneinfahrt müssen wir die Genua einrollen und ab 13.00 Uhr das eiserne Segel zu Hilfe nehmen. Hier beginnt es richtig zu regnen, doch wenigstens ist die Strömung mit uns und schiebt «Rasmus» mit 2 Knoten durch den Sund. Von wegen schöne Häuser, eine romantische Parklandschaft, Villen am Wasser, reetge-deckte Landsitze…, kannste bei dem Wetter alles vergessen. Jedenfalls will keiner von uns in Svendborg anlegen, lieber segeln/motoren wir weiter. Etwas anderes als Regen findest Du überall!

Dabei ist Svendborg ein echtes Juwel. Immerhin zählt die zweitgrößte Stadt auf Fyn 39.000 Einwohner und natürlich ist Svendborg schon seit 1253 eine traditionsreiche Seefahrerstadt. Enge verwinkelte Gassen, verträumte Innenhöfe, ein idyllischer Marktplatz, das Hafenviertel und wie fast überall auf unserer Reise, prägen auch die vielen Oldtimersegler den Charakter der bereits achteraus im Regen versinkenden Stadt. In der Ferne kommt der «Rasmus» wieder eine Fähre entgegen und Jörg, eigentlich gelassen genug, spürt da gewisse Probleme auf sich zukommen. Es ist wie mit diesem einen einzigen Baum an der Landstraße, der dich magisch anzieht und schon so vielen zum Verhängnis wurde.

Dieser eine Baum sind in diesem Fall zwei Untiefentonnen, die aus der Fahrrinne eine schmale S-Kurve machen. Genau im Scheitelpunkt dieser Kurve werden wir der Fähre begegnen. Warum wieder wir, murrt ein Teil der Besatzung, während Andreas dieses Dokument Holzmindener Steuermannskunst, durch das Oberlicht der vorderen Kabine, für die Ewigkeit festhält. Anders als einst zwischen Schröder und Lafontaine passen dann doch mehrere Blätter zwischen Fähre und Segelyacht, sodass Jörg gelassen Kurs auf Lyø nehmen kann. Da wir bei diesem Schietwetter in der dänischen Südsee das „Süd“ heute durchaus vernachlässigen können zieht sich unsere Reise nach Lyø, genau wie dieser Satz, ziemlich in die Länge. Bogi hat zwar vorsichtshalber aus dem Hafenhandbuch schon andere Häfen heraus gesucht, „…aber wat mutt, dat mutt“.

Am Ende des Törns folgen wir der kleinen Fähre, die zwischen Fåborg, Avernakø und Lyø pendelt, wie einem Lotsen in den kleinen Hafen von Lyø. Um 17.15 Uhr sind wir fest. Der Tagesskipper macht mich beim Anlegesherry darauf aufmerksam, dass ich auf der Gegen-seite hätte festmachen müssen, so wie er das vorgelesen hat. Da der Weg zum Waschhaus von dieser Seite aber bedeutend kürzer ist, werden Hafenmeister und die restliche Besatzung diesen Hinweis hoffentlich ignorieren. Bei dem Regen hat ohnehin niemand Lust, jetzt noch auf die andere Seite zu verholen. Aber die Crew ist eben hoch motiviert und registriert jeden Fehler, ist der Skipper nicht unzufrieden.
 

 

Gesegelte Meilen

Maschinenfahrt

Zusammen

Bisher

23,5

16,0

39,5

Heute

 20,0

17,0

37,0

Gesamt

43,5

33,0

76,5

 

Heute Abend werden wir uns nach dem Eintopf, es gibt Linsen aus dem Bioladen, endlich ‘mal ein Bier in einem dänischen Kro gönnen. Verdient haben wir es uns allemal, aber der wieder stärker einsetzende Regen will uns nicht von Bord lassen. Ein Stunde später erwischen wir ein regenfreies Zeitfenster und gehen auf Landgang. Doch was für eine Enttäuschung, denn der Kro öffnet erst in ein paar Wochen. Zu allem Unglück kommt nun auch noch Pech hinzu, denn das Zeitfenster wird schlagartig geschlossen. Wie begossene Pudel drücken wir uns unter Vordächer und in Hauseingänge. Eine Sommerreise ist das gewiss nicht und da sich weit und breit kein Schirmherr findet, treten wir in Kleingruppen fluchtartig den „Heimweg“ über den frisch geharkten Friedhof an.

Zurück an Bord, beginnen wir das kulturelle Erbe unserer Vorfahren zu pflegen. Als aktive Denkmalschützer holen wir rauhen Gesellen die Zeit der Kap Hoorniers in den Salon der «Rasmus». Rauh aber herzlich klingt unser Gesang und als endlich alle Dämme brechen kommt sogar der heute wohl unter die Suchtleitlinien fallende „Whiskey for my Johnny“ an Bord. Als wir später die unglückliche Liebe des weißen Matrosen zur Tochter des Indianer-häuptlings „Shenandoah vom great Missouri“ beklagen, sind meine Gedanken längst in den späten 60zigern. Damals, als Leichtmatrose, war ich so gern im French Quarter und in der Burbon Street von New Orleans auf den Spuren von Cajun, Blues und Jazz unterwegs. Sally fällt mir sofort wieder ein und mein Blick findet ihr auf meinen Unterarm tätowiertes Herz. „Oh Shenandoah, I love your daughter…“

Wie gut, dass wir noch in der Vorsaison sind und die Gefahr einer Klage, nach Ruhe suchender Stegnachbarn wegen vorsätzlicher Körperverletzung, ausgeschlossen werden kann. Das Bild- und Tondokument dieses wunderbaren Abends werden wir jedenfalls nicht einmal unseren Frauen vorführen. Vielleicht wird es später einmal hoch gehandelt, wenn die sterblichen Überreste des letzten Kameraden der See anvertraut worden sind.

Dienstag: Lyø - Maasholm

Der Seewetterbericht für Belte und Sund: Süd - Südwest 5 – 6, abnehmend 4 - 5, stürmische Böen, strichweise diesig.

Heute holt Bogi die Brötchen vom Købmand, die er bereits gestern Abend beim Hafenmeister bestellt hatte. Und da ich ein paar Fotos von der Insel nachholen will, gehe ich mit ins Dorf. Während Bogi beim Købmand alle alten und nicht mehr aktuellen dänischen Münzen „abgenommen“ werden, finde ich in Lyø By viele reizvolle Motive. Im Baedeker lese ich über Lyø: „Um 1540 waren die ersten Inselbewohner vor die Wahl gestellt worden: Hinrichtung oder Auswanderung hierher. Heute haben die Höfe stolze Ausmaße von Herrensitzen und die 140 Einheimischen werben zu Recht mit einem der schönsten Dörfer Dänemarks. Hier sieht man fast nur reetgedeckte Häuser, von Stockrosen umrankte Fachwerkfassaden mit rostrot, hellgrün oder amtblau gestrichenen Türen und Fenstern, wie Leuchtzeichen gegen das lange Grau des Winters“. Doch die Leuchtzeichen gehen heute eher von unseren Sangesbrüdern aus, die bestimmt längst mit dem Frühstück auf uns warten.

Während der Törnbesprechung werden zwei Routen nach Sønderburg erwogen, nämlich die Nord- oder Südrundung der Insel Als. Die Entscheidung wollen wir erst treffen, wenn wir uns von Lyø frei gesegelt haben und Windstärke und –richtung besser einschätzen können. Um 10.15 Uhr verlassen wir den kleinen Inselhafen. Noch unter Landabdeckung setzen wir bei 4 Beaufort das Großsegel und binden gleich das erste Reff. Die Genua wird zu 2/3 gesetzt. Im Lyø Krog, so heißt die Bucht, wird klar, dass die Nordroute deutlich länger gegen die Windrichtung verlaufen wird und somit entscheiden wir uns für die Südroute nach Sønderborg. Während wir uns langsam von der Insel frei segeln wird spürbar, dass wir einen unruhigen Segeltag vor uns haben, denn bereits jetzt schieben wir viel Lage. Auch die ca. ein Meter hohen Wellen kündigen keine sogenannte „Damenbrise“ an. Schon wenig später frischt der Wind weiter auf, doch Andreas und ich legen unterschiedliche Maßstäbe an. Während Andreas den Wind auf vier Bft. einschätzt, bin ich bereits bei fünf.

Ob nun 4 oder 5 ist letztlich ziemlich egal. Inzwischen kommt hin und wieder Spritzwasser über und eine Dusche fällt so kräftig aus, dass mir reichlich Wasser durch den geöffneten Kragen der Segeljacke bis in die Gummistiefel läuft. Da ich an der Pinne sitze habe ich keine Chance, dem Spritzwasser auszuweichen. Für die Dschjungs hat das überkommende Wasser dagegen einen hohen Unterhaltungswert, je nachdem, wen es gerade nicht trifft.

Die starke Krängung löst zunehmend unangenehme Gefühle bei den Mitseglern aus und Bogi beschäftigt sich immer wieder mit unserer bevorstehenden Kenterung. „Kann das Schiff wirklich nicht umkippen?“, wiederholt er einige Male und auf seine Frage, ob wir bei diesem Wetter nicht besser die Schwimmwesten anlegen müssen, antworte ich gelassen, dass das bei dieser Wetterlage noch nicht erforderlich ist, schließlich besteht bei 5 Bft. nun wirklich keine ernsthafte Gefahr, „…was sollen wir denn erst bei 8 machen?“

Das soll sicher, beruhigend und überzeugend klingen und doch mir wird bei dieser Frage Angst und Bange. Schon bei dem Gedanken an eine Schwimmweste ist es zum Anlegen fast zu spät, steht in jedem Lehrbuch, die muss man bereits vorher angelegt haben. Meine Sorge, mit dem Anlegen der Schwimmwesten noch mehr Angst und Unsicherheit auszulösen ist genau so daneben, wie die Angst, dass jemand auf dem Weg unter Deck ausrutschen und über Bord fallen kann. Zum Glück wird diese Haltung „nur“ eine folgenlose Fehleinschätzung des Skippers bleiben, denn bei diesem Seegang und 8 oder 9 Grad Wassertemperatur, einen Seemann aus dem Wasser zu fischen ist schon ein Kunststück – wenn er denn überhaupt noch gesehen wird und in den schweren Klamotten schwimmen kann! Also, beim ersten Gedanken an eine Schwimmweste gehört die sofort angelegt. Diese Lektion sitzt jedenfalls, das passiert mir nicht noch einmal!

Was für ein Törn! Wir haben viel mehr Wind als Vorgestern (Bagenkop – Marstal) und die Dschjungs stecken das erstaunlich gut weg. Andreas ist zwar ein wenig blass und wortkarger als sonst, trotzdem fängt er sogar jetzt noch Bilder mit dem Camcorder für die Ewigkeit ein. „Eine Hand für dich und die andere auch noch“, so halten sich die Dschjungs irgendwie fest. Immer häufiger kommt Spritzwasser über. Andere Schiffe? Fehlanzeige, Neptun hat uns ganz für sich allein. Schon kleine Reffmanöver an der Genua erfordern bei so viel Lage viel Geschick und einen enormen Kraftaufwand. Wenn wir beim Reffen in den Wind gehen, spüren wir für einen Moment, wie hart ein Amwindkurs zu segeln wäre. Das Vorschiff wird von den Wellen hoch geliftet und dann kracht «Rasmus» so richtig aufs Wasser. Um 12.30 Uhr, vor dem Passieren von Pølshuk an der Südostspitze von Als, reffen wir die Genua noch weiter, denn danach werden wir die Landabdeckung verlieren und der Wind entsprechend zulegen. Hier erreichen die Wellen inzwischen 2 m Höhe, was in etwa 7 Bft. entspricht. Da wollen wir gegenan segeln? Ich kann es mir nicht vorstellen und informiere die Crew darüber, dass der Kontakt mit der dänischen Bevölkerung auf dem Spiele steht, wenn das Wetter bleibt wie es ist.

Kurz darauf bricht, vermutlich als letzte Warnung, ein Umlenkblock der Genua-Reffleine und danach entscheide ich, dass wir unseren Fisch im deutschen Maasholm statt in Sønderburg kaufen werden. Vorteil: Um die Schlei anzulaufen, brauchen wir nicht einmal den Kurs zu ändern und sind schneller dort, als in jedem anderen Hafen. Gegen 13.00 Uhr wird damit wieder einmal ein neues Tagesziel „unterwegens“ formuliert. Bereits um 14.40 Uhr haben wir den Leuchtturm von Falshöft 6 sm querab. Die Situation an Bord bleibt weiter angespannt, aber immerhin ist die rettende deutsche Küste in Sicht und „…da wir bisher nicht gekentert sind, kann die Yacht wohl auch nicht umkippen“, kommt es bereits vorsichtig optimistisch aus Bogis Ecke. Der Wind pendelt sich jetzt bei 7, in Böen bei 8 Windstärken ein, aber wo ist Schleimünde? Die Küste kenne ich doch wie meine Westentasche. Die charakteristischen Baumgruppen vor dem kleinen Leuchtturm von Schleimünde müssten längst zu sehen sein – wenn die Bäume Laub tragen würden.

Wieso fällt mir ausgerechnet jetzt der Ankommensschluck von Bagenkop wieder ein? Hat Neptun die Kommentare der inzwischen so gestandenen hannöverschen Seeleute etwa doch nicht vergessen? Warum hab’n die Dschjungs auch nur so undankbar reagiert oder hätte ich Neptun einen größeren Schluck zukommen lassen müssen? Hoffentlich kommen wir hier heile raus. Je dichter wir unter Land kommen, desto kürzer und ruppiger wird die Welle. Immer wieder kommt Wasser über und lustig ist das längst nicht mehr. Scheinbar kommen wir auch nicht mehr gegenan und drohen eher von der Küste wegzudriften. Um 16.00 Uhr entdecke ich hinter den kahlen Bäumen endlich den Leuchtturm. Und spätestens jetzt stampfen wir uns fest. „Die Segel müssen runter“, höre ich Andreas, „sonst treiben wir weiter ab“. Mit viel Krafteinsatz gelingt das Manöver. Die Genua wird mühsam eingerollt und schließlich bekommen wir auch das Großsegel in den Griff, wenngleich der Wind unter Maschinenfahrt erst recht mit uns macht, wasser will.

Die letzte halbe Meile bis zur Einfahrt in die Schlei wird ein Ritt über schäumendes und gurgelndes Wasser. Mit halber Maschinenkraft treiben wir beinahe rückwärts und mit voller Kraft kracht das Vorschiff immer wieder auf die Wellen und kommt nur mühsam voran. Die Gischt fliegt uns förmlich entgegen. Wir ducken uns unter die Sprayhood, doch selbst ein Scheibenwischer würde das Spritzwasser nicht wegschaffen. Ich kann kaum was sehen, hab Salz in den Augen und muss trotzdem darauf achten, dass wir in’s Schleifahrwasser reinkommen. Wie ein Stehaufmännchen gucke ich rüber, ducke mich, muss wieder über die Sprayhood schauen und werde unfreiwillig zum John Maynard der »Rasmus«. Während also die Schwalbe über den Eriesee fliegt..., haben wir noch lange nicht die Einfahrt passiert. Zwei Schritte vor und 1,5 Schritte zurück. Erst ein paar Tage später wird mir klar, dass der kräftige Westwind das Wasser aus der Schlei durch die Fahrrinne in die Ostsee drückt. Genau hier durch. Wir haben die ganze Strömung voll von vorn. Das erfordert natürlich eine kräftige Maschine und in diesem Fall nicht unbedingt des Kanzlers ruhige Hand.

Endlich haben wir die Einfahrt recht voraus, doch gerade im Fahrwasser der Schlei pfeifen uns Wind und Strömung nur so um die Ohren. So was habe ich noch nie erlebt. Endlich der Leuchtturm. Der kleine Yachthafen von Schleimünde ist noch völlig leer und in der Fahrrinne muss ich höllisch aufpassen, den Tonnenstrich nicht zu verpassen oder gar quer zu schlagen. Einige Sandbänke deuten an, wie flach es gleich neben dem Fahrwasser ist. Als wir endlich nach Maasholm abbiegen und den Wind von der Seite kriegen, legt sich die Yacht kräftig auf die Leeseite. So viel Krängung ohne Segel? Wieviel Wind haben wir bloß? Der Hafenmeister von Arnis sagt zwei Tage später, bei ihnen wären es neun Bft. gewesen, im Restaurant legt man sich auf acht fest und gefühlt habe ich jedenfalls sieben.

Um 17.10 Uhr erreichen wir den sicheren Hafen. Bei dem hohen Winddruck suche ich einen Liegeplatz mit Wind von vorn und beim Festmachen achten wir nur darauf, dass die Vorleinen ganz schnell belegt sind. Die Achterleinen schaffen wir dann auch. Endlich haben wir auch das letzte Manöver geschafft und fast noch mit den Festmachern in der Hand rennt die Crew zur Toilette. Sieben Stunden haben wir uns im Cockpit kaum gerührt. Pinkeln? Um Himmels Willen, aber jetzt gibt es kein Halten mehr. Ich merke davon noch gar nichts und bin erleichtert und froh über den glücklichen Ausgang dieses Törns. Das kann ich für ein paar Minuten wunderbar allein genießen. Glück gehabt? Ein bisschen schon, aber immerhin sind wir 35 Meilen unter ausgesprochen rauen Bedingungen gesegelt. Endlich kann ich meine Tochter Verena anrufen und ihr zum 27. Geburtstag gratulieren. Als ich ihr von unserem Törn erzähle löst sich ganz allmählich meine Anspannung. Ich bin völlig platt und gleichzeitig so was von zufrieden.

Andreas kommentierte diesen Törn später so:

Ob's Schiff nun krengte oder kränkte,
die Lage war extrem und schief.
Wie der Skipper es auch lenkte,
die Gischt durch seine Kleidung lief.
Ich stand wohl mehr, als dass ich saß,
recht mulmig war mir dabei auch
und ohne, dass ich etwas aß,
rumorte es in meinem Bauch.
Mit starren Blick zum Horizont
die Reling gut umgriffen,
vertrieb ich mir, schon fast gekonnt,
die Zeit mit Rätseln und mit Schiffen.
Bald sehnte ich mich fest nach Land,
genau genommen nach Port Schlei.
Der Skipper machte, wie ich fand,
die Sache gut für seine drei…
           Dschjungs
 

 

Gesegelte Meilen

Maschinenfahrt

Zusammen

Bisher

43,5

33,0

76,5

Heute

 35,0

 2,0

 37,0

Gesamt

78,5

35,0

113,5

 

Bogis sardische Flagge scheint sich durch den Sturm exakt zur Hälfte aufgelöst zu haben, denn nur noch zwei der vier Köpfe lassen sich den Wind um die Nase wehen. Andreas vermisst sein Handtuch, dass er gerade eben noch über die Reling gehängt hatte und vor dem Ankommensschluck muss ich unbedingt noch duschen, ich bin bis auf die Knochen nass – trotz Segelkleidung. Inzwischen geht Bogi zum Einkaufen und bezahlt beim Hafenmeister.

Heute kommt endlich frischer Fisch auf den Tisch und es wird nicht nur drüber geredet. Während Bogi im Fischladen wieder in € bezahlt, schlägt Jörg vor, uns für diesen Ritt durch ein Essen in der Kneipe zu belohnen. Denselben Gedanke muss Bogi auf dem Rückweg auch erwischt haben, denn zum Kochen hat keiner wirklich Lust. Der Dorsch kann warten, beschließen wir beim Ankommensschluck und sind mächtig stolz auf unseren wilden Törn. Wenn wir davon zuhause erzählen…, aber wen interessiert das schon?

Im wohl schönsten Restaurant von Maasholm, mit Blick auf die hinter dem Wormshöfer Noor untergehende Sonne, feiern die Seeleute ihre erste Bewährungsprobe mit Flens statt KöPi. Und da wir noch einen Tag Zeit haben, bevor wir Jörg bis zum Bahnhof in Kiel segeln müssen, beschließen wir, Morgen einen hoffentlich ruhigen Tag auf der Schlei zu verbringen. Vielleicht segeln wir bis Missunde? Über „De Maas rund“, so heißt der kleine Weg direkt an der Schlei, finden wir wieder an Bord zurück. Wie ein Stein habe ich diese Nacht geschlafen und neben mir noch einer.

Mittwoch: Maasholm - Arnis

Der Seewetterbericht für die Westliche Ostsee: Süd - Südost 4 - 5, später West 6, zeitweise diesig – trifft in der Regel auch auf die Schlei zu.

Bereits vor dem Frühstück ermittelt die Besatzung in alle Richtungen. Andreas sucht beim Hafenmeister nach Spuren für sein immer noch verschwundenes Handtuch und ermittelt weiterhin konsequent wegen Diebstahl. Bogi ist dem Täter im Duschhaus auf der Spur, während Jörg beim Bäcker nach Hinweisen sucht. Spannender als die frischen Brötchen ist diesmal die Brötchentüte, auf die eine Seekarte gedruckt ist. So eine Brötchentüte hat Sabine und mich im letzten Jahr von Maasholm nach Gelting navigiert, weil es hier in der „Segelkiste“ keine Seekarte mehr gab.

Immerhin gibt es wenigstens einen Fahndungserfolg, denn die zwei als vermisst gemel-deten schwarzen Köpfe sind wieder aufgetaucht und damit ist das Quartett oben an der Saling wieder vollständig. Noch ist nicht geklärt, ob sie von „fliehenden Holländern“ shanghait wurden, als „Schläfer“ im Etablissement von Madame Veronique in Marstal ach-teraus gesegelt sind oder sich „einfach nur vertüddelt“ hatten. Egal, Neptun sei Dank hat sich unsere Flaggenbesatzung über Nacht klammheimlich wieder verdoppelt.

Auf der Schlei ist heute Entspannung angesagt. Während der Törnbesprechung legen wir deshalb lieber gar nichts fest. Nur in Kappeln werden wir kurz zum Souvenireinkauf Festmachen. Ob wir in dem berühmtesten Restaurant an der Schlei, der „Schleiperle“ in Deutschlands kleinster Stadt Arnis, einen Capuccino schlürfen werden machen wir von der Zeit abhängig. Um 10.00 Uhr legen wir in Maasholm ab. Es ist kühl, es geht kein Wind, aber die Sonne scheint und wir haben ja einen 19-PS-Motor.

Jörg steuert uns langsam die Schlei aufwärts, während die anderen Beiden ihre optischen Geräte bedienen, so z.B. bei Rabelsund, wo gleich 30 Angler bis zu Hüfte im Wasser dem Hering nachstellen, der mit uns die Schlei aufwärts unterwegs ist. Hier im Wasser würde ich Eisbeine kriegen, aber die kriegen sogar Fisch. Bereits um 10.45 Uhr passieren wir pünktlich die neue Schleibrücke in Kappeln. Die alte Drehbrücke ist tatsächlich vollständig abgerissen und von ihrem Charme nichts mehr übrig. Fünf Minuten später machen wir im Nordteil des Kappelner Yachtclub fest und danach geht’s einmal die Fußgängerzone rauf und runter. Bogi bekommt endlich seinen Südwester, ein paar Lebensmittel werden ergänzt und um 13.15 Uhr legen wir wieder ab – allerdings streikt der Motor, bzw. scheint der Magnetschalter vom Anlasser defekt, denn ein paar Schläge mit der Rohrzange bringen ihn wieder in Fahrt. Da ein leichter Wind gegenan steht, motoren wir bis Arnis und setzen erst dann die Genua.

„Wie ist das eigentlich bei Gewitter?“, bringt Bogi plötzlich Katastrophenstimmung an Bord, als ich mich gerade über Schleswig Holsteins schönstes Dorf, das malerische Dorf Sieseby, an Backbord freue. „Damit gibt’s in der Regel keine Probleme, aber bei einem Blitzeinschlag geht meist die Elektrik drauf“, höre ich mich, aber auf so eine Debatte habe ich im Moment überhaupt keinen Bock oder kommt doch irgendwo ein Gewitter auf? Das Wolkenbild gibt darauf jedenfalls keinen Hinweis.

Als kurz darauf auch noch die Wasserpumpe für die Frischwasserversorgung leer läuft haben wir endlich die gewünschte Katastrophenstimmung an Bord. Sofort vermuten wir einen Zusammenhang mit dem (scheinbar) überhitzten Motor, bzw. dem Anlasserproblem. Zum Glück erreiche ich den Eigner telefonisch, der uns beruhigt und wieder ins richtige Fahrwasser bringt. Wie peinlich, der Frischwassertank ist leer und da soll die Pumpe nicht trocken laufen? Zu unserer Entlastung sei erwähnt, dass der Tank keine Anzeige hat und wir doch erst vor zwei Tagen in Marstal Frischwasser gebunkert haben.

Und da wir überlegen, vielleicht diese Nacht im Wormshöfer Noor zu ankern brauchen wir zum Fisch als Hauptgericht auch Frischwasser. Andreas macht kurz vor der Brücke von Lindaunis die Marina auf dem Nishaken aus und diesmal bestimmt die Nähe zum Wasser-schlauch den Stegplatz. Zehn Minuten später sind wir wieder mit 90 Litern unterwegs, diesmal in die Gegenrichtung und mit Kurs auf das Wormshöfer Noor, westlich von Maas-holm.

Unter Groß und Genua kreuzen wir die Schlei seewärts. Andreas, angeregt durch die Schlange stehenden Heringsangler von Kappeln und Rabelsund, wird nun wieder vom Jagdfieber gepackt. Bevor der Haken aber überhaupt einen Hering bedrohen könnte, sind diverse technische Hindernisse zu überwinden, die auch dann noch nicht gelöst sind, als eine halbe Stunde später der einsetzende Regen dem Jagdfieber ein jähes Ende bereitet. Der Köder, ein paar hässliche, fette Wurstscheiben, sorgt eher für eine Wasservergiftung und wird die Heringe frühzeitig zu einer weiträumigen Umfahrung motiviert haben.

Als der Regen immer stärker wird und wieder einmal die vertraute Feuchtigkeit in unser Boot einzufallen droht und überraschend doch das Grollen eines Gewitters hörbar wird, hat keiner mehr Lust an den Schlickhaken (Anker) ins Wormshöfer Noor zu gehen. Jetzt muss es ein richtiger Hafen sein, aber zack! Bogi, der dank seiner seherischen Kompetenz das Gewitter ja schon frühzeitig geahnt haben muss, steuert uns wie ein Vormann durch den immer stärker einsetzenden Regen und um 16.00 Uhr sind wir in der WSG-Arnis fest. Den Hafenmeister erwischen wir bei dem Schietwetter nicht, aber die sechzig/sechzig, die Codenummer für Dusche und Toilette, erfahren wir von anderen Seglern.
 

 

Gesegelte Meilen

Maschinenfahrt

Zusammen

Bisher

78,5

35,0

113,5

Heute

 4,0

 10,0

 14,0

Gesamt

82,5

45,0

127,5

 

Heute gibt es endlich den von Bogi wunderbar zubereiteten „Dorsch mit Rosmarinkartoffeln“ und das hat er so gemacht:

100 gr. frisches Dorschfilet pro Person, kleine Kartoffeln, Olivenöl, Butter, Mehl, Zitrone, Salz, Pfeffer, Rosmarin.

Kleine, ungeschälte Kartoffeln kurz ankochen, abkühlen und halbieren. Salzen, mit Rosmarin bestreuen und auf ein gefettetes Blech geben. Im vorgeheizten Backofen ca. 20 Minuten garen.
Fischfilets waschen, abtrocknen, mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft würzen, in Mehl wenden und in Butter goldbraun braten.

Wie (fast) alle Zutaten stammt auch der Soave aus dem Anbaugebiet neben dem Parkplatz von Aldi

Damit wir morgen sicher und rechtzeitig Kiel erreichen, beschließen wir, bereits um 7 Uhr aufzustehen und früher als sonst auszulaufen. Und da wir eine Doppelkopfrunde sind, soll der heutige Verlierer bestimmen, wer am nächsten Tag zur Strafe mit dem Bootsmannsstuhl am Mast hochgezogen werden soll. Wie schön, dass sich Bogi zwar um diesen übersichtlichen Job bemüht, dafür aber partout nicht verlieren will. Dann hätte er ja auf jeden Fall seine Chance gehabt, aber so verliert Ralf, wer sonst.

Donnerstag: Arnis - Heiligenhafen/Ortmühle

Der Seewetterbericht für die Westliche Ostsee: Südwest - West 5 - 6, Schauerböen, See 1 – 2 m.

8.00 Uhr Wetterfax beim Hafenmeister: Südwest 7 – 8, Schauerböen.
Das Wetterfax vom Hafenmeister weicht vom Seewetterbericht ab, weil es stündlich aktualisiert wird. Der um 8.30 Uhr auf NDR IV gesendete Seewetterbericht ist von 5.00 Uhr GZ (Gesetzlicher Zeit).

Nachts um drei kommt plötzlich der bereits für Gestern versprochene Wind mit 7 – 8 Beaufort aus Südwest. Es rüttelt, pfeift und schlägt heftig in der Marina und ein gelegentlich wiederkehrendes Klappern holt mich zweimal an Deck, doch nirgendwo ist ein schlagendes Fall zu entdecken. Erst als ich wieder in der Koje liege klappert es wieder. An Schlaf ist in dieser Nacht nicht zu denken. Immer wieder gehen mir verschiedene Varianten durch den Kopf, denn heute müssen wir Jörg nach Kiel bringen. Bei diesen Bedingungen nach Kiel? Es heult und kachelt unaufhörlich weiter, während die Crew scheinbar gelassen dem neuen Tag entgegen schläft… oder? Sang nicht einst Wolf Biermann vom Morgenrot, das auch nach einer durchzechten Nacht kommt…

Wie verabredet wacht die Besatzung um 7.00 Uhr auf und will sich auf die Reise vorbereiten. Natürlich ist jeder heilfroh, dass wir bei diesem Wetter vorerst nicht auslaufen – jedenfalls löst die Entscheidung des Skippers keine Meuterei aus. Bis zum Seewetterbericht um 8.30 Uhr sind es aber auch noch 1,5 Stunden, also schlafen die weiter, die bei diesem Sturm-getöse da draußen überhaupt schlafen können.

Nach dem Duschen gehe ich am Büro des Hafenmeisters vorbei, der zufällig in seinem Büro sitzt. Sofort zeigt er mir das gerade eingetroffene Wetterfax, das zwar heute 7 – 8 aus Südwest verspricht, aber für Morgen 5 – 6 aus Südost. „Und Samstag“, so der Hafenmeister, „geht hier ein Neuner durch“. „Vielen Dank für die Beratung“, verabschiede ich mich schleunigst und damit sind die Würfel wieder einmal ganz anders gefallen:

Bei 7 – 8 aus Südwest können wir heute vielleicht Kiel erreichen, aber wir müssen morgen Abend unser Schiff in Heiligenhafen abliefern und gegen den Südost werden wir diese lange Strecke nicht an einem Tag schaffen. Wir haben nur eine Chance, wir müssen heute mit Jörg nach Heiligenhafen und unseren Törn einen Tag eher als geplant beenden. Aber bei 7 – 8 über die Ostsee und dazu hat der Wetterbericht bis zu 2 m hohe Wellen prophezeit? Die Törnbesprechung gerät zu einer Risikoabwägung. Wir gehen alle Möglichkeiten in Ruhe durch. Jeder weiß, dass wir bisher unter solchen Bedingungen nicht gesegelt sind – auch der Skipper nicht. Trotzdem beruhigt Ralf die Besatzung und erklärt, „…dass von uns allen das Schiff der stabilste Faktor ist. Auf die «Rasmus» können wir uns 100%ig verlassen. Begeben wir uns auf diesen Törn, könnten wir im ersten Drittel der Strecke noch nach Marstal oder Bagenkop ablaufen, danach gibt es allerdings keinen Schutz mehr“. Wir überlegen weiterhin, nach der Ansteuerungstonne Schlei, den Kurs nach Kiel zu testen oder sogar nach Damp, das nur ein paar Meilen südlich von Schleimünde liegt. Falls es zu sehr kachelt könnten wir auch dahin flüchten.

„Also, fahren oder nicht fahren?“, beschließen wir unsere Törnbesprechung. Andreas stimmt zu, dann Jörg und schließlich auch Bogi. Ich hatte mich bereits beim Wetterfax im Hafen-meisterbüro entschieden. Wir treten die Flucht nach vorn an. Sind wir noch zu retten, draußen sind es 8 Beaufort?

Jetzt wird die Sicherheitsleine gespannt und natürlich legt jeder seine Schwimmweste an. Die Lifebelts werden eingeclickt und um 10.20 Uhr verlassen wir die WSG-Arnis, damit wir um 10.45 die Brückenöffnung in Kappeln nicht verpassen. Vor der Brücke treffen wir auf weitere Yachten, die sich ebenfalls auf den Weg machen. Wir werden diesmal wenigstens nicht allein auf dem Wasser sein. Trotzdem, ein ziemlich mulmiges Gefühl begleitet mich die Schlei abwärts. Halten alle Dschjungs diesen im günstigsten Fall achtstündigen Ritt durch? Und was, wenn jemand seekrank wird?

Nach der neuen Brücke in Kappeln setzen wir zunächst nur die Genua, lassen uns (leider) zu einer Regatta mit einer Comfortina hinreißen, passieren Rabelsund und das Wormshöfer Noor. Wie gut, dass wir in dieser Nacht hier nicht geankert haben, wir wären bestimmt irgendwo im Schilf gestrandet. Gleich darauf haben wir Maasholm an Backbord und vor uns Schleimünde. Noch könnten wir zurück. Mit 6 Knoten rauschen wir am berühmten Leuchtturm vorbei, passieren die Ansteuerungstonne und die Yacht liegt auf Halbwindkurs relativ ruhig in der bewegten See. Wir testen den möglichen Kurs nach Kiel und sofort legt sich unsere »Rasmus« mächtig auf die Seite. Klar, Kiel wäre ein Amwindkurs. Damit scheidet Damp als Nothafen erst recht aus, wir müssten voll gegenan! Noch einmal verständigen wir uns auf unser Tagesziel: Heiligenhafen liegt 46 Meilen vor uns, das GPS gibt die voraussichtliche Ankunftszeit Ansteuerungstonne Heiligenhafen mit 18.10 Uhr an, Kurs 116o. Der Tanz beginnt.

Als wir die östliche Sperrgebietstonne passieren sind wir von der Küste frei. Hier draußen scheint sogar die Sonne. Es ist nicht zu fassen, Wasser und Himmel sind blau und der Wind schiebt uns manchmal mit 7 Knoten durch’s Wasser. Als wir uns kurz versteuern erreichen wir mit 8,36 Knoten unseren Spitzenwert. Wir surfen über die Ostsee! Herrliches Segelwetter und bei mir stellt sich bereits jetzt Erleichterung ein. Wenn sich das Wetter so hält, werden wir keine Mühe haben, Heiligenhafen zu erreichen.

Nach einer Stunde übergebe ich Andreas die Pinne und damit hat die Seekrankheit keine Chance mehr. Der Halbwindkurs ist jedoch schwer zu steuern und jede Abweichung wird sofort durch starkes Rollen angezeigt. Nach zehn Minuten hat Andreas jedoch den Kurs sicher im Griff und wir kommen planmäßig voran. Die See geht inzwischen sogar um 2,5 m hoch, was Windstärke acht entspricht, dennoch können wir diesen Halbwindkurs gut halten. Hin und wieder wird der blaue Himmel durch Regenwolken buchstäblich geschwärzt, aber es scheint, als wollten die Regenwolken mit uns nichts am Hut zu haben. Nur selten huscht mal ein Wolkenschatten über uns hinweg, regnen wird es jedoch nicht. Davon hatten wir ohnehin reichlich.

Jeden Morgen tropfte das Kondenswasser von der Decke oder lief die nassen Seitenwände hinunter. Handtücher trocknen? Keine Chance! Schon an die Seitenwand gelehnte Bücher wurden durchnässt. Jeden Morgen war alles klamm und selten konnten wir kräftig lüften. Gut, nach der Ankunft in Marstal wurde es sonnig und am nächsten Tag bis Svendborg. Auch von Lyø nach Maasholm schien die Sonne, aber es war auch immer saukalt. Eigentlich so wie jetzt, Sonnenschein, Wind zwischen 6 und 8, und Handschuhwetter.

Schleimünde liegt inzwischen weit achteraus. An Backbord ist Ærø, als letzter Zipfel von Dänemark gerade noch zu erkennen, während auf der Steuerbordseite Kiel-Leuchtturm und recht voraus die Großschifffahrt auf dem Kiel-Ostseeweg langsam das Bild bestimmen. Zeit-gleich sind immer 5 Frachter zu sehen und genau da müssen wir durch. Weil wir mindestens 5 Knoten konstant segeln, können wir sogar noch ein wenig anluven, um das Verkehrs-trennungsgebiet vorschriftsmäßig rechtwinklig zu durchqueren. Das hatte ich auf der Hin-reise schlicht unterschätzt. Um 13.30 Uhr haben wir die Großschifffahrtsstraße passiert und wieder freies Wasser vor uns.

Als Bogi für die Crew sogar das mittägliche Müsli mit Bananen und Äpfeln zubereitet, ist die gute Laune nicht mehr zu toppen. Die Zweifel vor dieser Überfahrt liegen scheinbar weiter als Arnis zurück. Nur Jörg ist noch ein wenig blass und legt sich im Cockpit auf die Leeseite. Eine halbe Stunde später sind auch bei ihm Müdigkeit und die aufkommende Seekrankheit wie weg geblasen. So geht es also auch.

Fern an der Küste sind immer wieder dicke Regenschauer zu sehen, während wir draußen auf der „hohen See“ die Sonne genießen. Seglerherz, was willst du mehr? Gegen 16.00 Uhr kommt endlich Leuchtturm Flügge auf Fehmarn in Sicht und bald wird auch Heiligenhafen zu sehen sein. Inzwischen hat Bogi die Pinne übernommen, doch nun lässt der Wind ein wenig nach und der Speed geht auf 3 – 4 Meilen runter. Andreas will aber mehr Speed und so öffnen wir die Genua auf 100%. Der Wind bedankt sich, legt wieder ein wenig zu und schon haben wir die vertrauten 5,5 Knoten wieder.

Über’s Handy verständigen wir jetzt den Eigner der »Rasmus«, Herrn Petersen, von unserer bevorstehenden Ankunft und dem angekündigten Wetterbericht vom Wochenende, den er sogleich über’s Internet abgleicht. Schließlich ist am Samstag Ansegeln im Segelclub von Ortmühle und da braucht man moderate Winde (leider werden an diesem Samstag zeitweise 10 Windstärken in der Kieler Bucht gemessen, aber davon haben wir jetzt noch keine Ahnung). Na und wenn die Verbindung zu Herrn Petersen schon so gut klappt, kann ich auch gleich Sabine über unsere vorzeitige Rückkehr nach Hannover informieren. Die Vorfreude ist auf beiden Seiten groß. Sabine, inzwischen ja ebenfalls Segel erfahren, hat unseren Kurs und das Wetter auf den heimischen Seekarten immer genau verfolgt.

Endlich kommt auch Heiligenhafen in Sicht und für den Rest der Strecke übernimmt Jörg das Ruder. Doch je näher wir dem Ziel kommen desto bedrohlicher werden die Regenwolken. Düster bedroht uns eine schwarze Wand, aber auch diesmal bleiben wir trocken, während Heiligenhafen vorübergehend nicht mehr zu sehen ist. Da wollen wir hin? Nicht ganz, denn die »Rasmus« gehört nach Ortmühle, 1,5 Meilen östlich von Heiligenhafen, aber ebenso von dem vorgelagerten Graswarder geschützt. Das östliche Ende der Nehrung ist durch eine Untiefentonne markiert und die müssen wir umfahren, aber die Tonne will und will einfach nicht auftauchen. Lange suche ich die Umgebung ab, doch die gelb-schwarze Markierung ist vor der Küste selbst durch das Glas schlecht auszumachen. Endlich habe ich sie gefunden und das ist das Startsignal für Festmacher und Fender.

Unter Deck wird bereits gepackt und aufgeklart. Die restlichen Lebensmittel werden aus Schapps und Winkeln geräumt und zum Schluss holt uns doch noch ein kleines Schauer ein – ausgerechnet vor der Haustür! Neptun’s kleine Rache ist aber nichts gegen das Festmachen in Arnis, als wir nicht einmal die Persenning um das Groß bändseln wollten, während Bogi noch das Landstromkabel legte. Mit elegantem Schwung motoren wir ein letztes Mal in die Box. Um 19.10 Uhr liegt die »Rasmus« wieder fest im Heimathafen.
 
 

 

Gesegelte Meilen

Maschinenfahrt

Zusammen

Bisher

78,5

35,0

113,5

Heute

 48,0

 3,5

 51,5

Gesamt

126,5

38,5

179,0

 

Einpacken, das Gepäck im Auto verstauen und Reinschiff gehen nahtlos ineinander über. Als Herr Petersen zur Abnahme an Bord kommt ist die durch die „Lage“ in Mitleidenschaft gezogene Bordtoilette wieder klinisch rein und sogar das Deck ist geschrubbt. Wir informie-ren Herrn Petersen über die beiden kleinen Mängel, die Kaution geht in meinen Besitz zurück und dann nehmen wir Abschied von unserer feuchtkalten »Rasmus«, die eine intensive Woche lang unser zuhause war.

Und so wie es den Täter im richtigen Leben oder im Krimi an den Tatort zurück zieht, so verabschieden wir uns im Restaurant „Seestern“ von diesem abenteuerlichen Törn. Sogar die freundliche Bedienung erkennt ihre Doppelkopfrunde wieder. Den leckeren „Matrosen-teller“ tausche ich an diesem Abend gegen die frischen „Grünen Heringe“, die leider nicht von Andreas gefangen werden wollten. Um 22.30 Uhr sind die Leinen los und wir sitzen im Auto mit Kurs auf Hannover.

Da der Skipper seine Verantwortung nun wirklich abgeben kann, holt ihn die viel zu kurze letzte Nacht auf dem Rücksitz ein. „Weder von Windstärke 8 noch von 2,5 m hohen Wellen lassen wir uns vom Kurs abbringen“, wird er vermutlich träumen, „…und dass während dieser Nachtfahrt die Küste kaum noch auszumachen ist“. Vielleicht segelt er in seinem Traum bereits Jyllands Küste bis Århus und Ebeltoft rauf. Im Sommerurlaub will der Skipper nämlich mit sin Fru und der 6,50 m langen Varianta nach Middelfahrt, Veije, Horsens und vielleicht bei gutem Wetter über Samsø und durch den Großen Belt zurück. Damit er weiterhin gut schlafen kann, versichert ihm die Crew gern, dass wir sehr schnell auf der richtigen Fahrspur im Verkehrstrennungsgebiet A1 und später auf der A7 unterwegs sind.

Bereits nach gut zwei Stunden Heimreise machen wir die ersten Leuchtfeuer von Hannover aus. „Wo müssen wir nach Vinnhorst abbiegen“, weckt Jörg ganz vorsichtig den Skipper. „Die nächste Abfahrt hart Steuerbord“, antworte ich noch ziemlich verschlafen als wir gerade den Mittellandkanal passieren, „und die Steuerbordseite wird Luvseite“. Genau so machen wir in der Dammstraße fest. Nur die Fender haben wir vergessen.