Steg gerammt und beinahe Kleinholz

Wenn wir lossegeln hört Herr Scholz meist gerade auf. Und wie vor ein paar Tagen, so warnt er auch heute fürsorglich wieder vor einem Gewitter, außerdem würde der Luftdruck fallen. Herr Scholz weiß natürlich nicht, dass ich das Wetter inzwischen sehr genau beobachte und weder eine Gewitterwolke ausmachen kann, noch zeigt unsere wunderbare Wetterstation fallenden Luftdruck. Heute will Sabine die Segel setzen und uns auf’s Meer bringen.

Sabine setzt statt der üblichen „Arbeitsfock“ die viel größere Genua. Als Genua wird ein Vorsegel bezeichnet, das über den Mast hinaus nach achtern steht und eine Genua haben wir noch nie gesetzt. Der schwache Wind aus Südost kommt beim Auslaufen genau von vorn, sodass wir entscheiden, unter Motor auf’s Wasser zu gehen und erst hinter den Stegen die Segel zu setzen. Allerdings zieht uns der Motor nur im Schneckentempo raus, denn beim letzten Törn habe ich den Hauptschalter nicht abgeschaltet, sodass die Batterie ziemlich platt ist – warum eigentlich? Die Logge hat heute ebenfalls Null Bock und springt erst nach einer Meile an.

Mit Müh’ und Not erreichen wir freies Wasser und dann zieht uns die Genua auch bei leichtem Wind mit bis zu 6 Knoten durchs Wasser. Was für eine Entdeckung. Mit dieser Genua werden wir bei der nächsten Clubregatta natürlich für Furore sorgen. Allerdings ist die Sicht nach vorn eingeschränkt und man muss genau auf die anderen Boote achten – natürlich auch mit Wegerecht. Ein zweiter Nachteil: Auf Amwindkurs kommt man mit der Genua nicht so hoch an den Wind, dann ist die „Arbeitsfock“ besser.

Vor lauter Begeisterung fällt uns kein geeignetes Ziel ein, also segeln wir auf Probefahrt hin und her. Sabine genießt den leichten Wind und die trotzdem erreichte Geschwindigkeit, während ich genieße, dass Sabine ihre helle Freude am Segeln findet. Doch irgendwann verblasst die helle Freude und plötzlich will sie einfach nichts mehr tun, also übernehme ich wieder die Pinne. Ich bin total gespannt, wie es sich mit der Genua steuern lässt. Vor allen Dingen Raumschots haben wir nun „ordentlich was drauf“. Gern würde ich damit endlich einmal nach Hagenburg segeln, aber dazu ist es jetzt bereits zu spät.

Übrigens, in Hagenburg...

am Südufer des Steinhuder Meeres, hat der Fürst von Schaumburg Lippe ein wunderbares Schloss bauen lassen und durch einen Kanal mit dem Steinhuder Meer verbunden. Bei Gefahr konnte sich der Fürst mit seinem „Schnellboot“ auf den Wilhemstein in Sicherheit bringen. Den Kanal nutzten auch die ersten Segler für sich, die hier 1906 den ersten Segelclub am Steinhuder Meer gründeten. Der heutige Yachthafen liegt direkt an der Kanalmündung.

Hagenburg hat außerdem eine wunderschöne Backsteingotik-Kirche. Ein Findlingsgarten zeigt ganz schön „alte Schweden“ und der Moorgarten überzeugt durch die Artenvielfalt des Hoch- und Niedermoores.

Auf dem Heimweg segeln wir „Schmetterling“ bis knapp vor die Stege. Aber wie kommen wir ohne E-Motor, die Batterie ist ja wohl immer noch platt, in die Box? Na klar, wir halsen vor der Box, segeln einen Aufschießer an den Achterpfahl und ziehen uns dann an der Sorgleine rein. Dass Sabine nicht mehr steuern will, finde ich richtig prima, kann ich doch mal wieder zeigen, dass ich auch die nicht so ganz einfachen Manöver „locker“ hinkriege.

Als die Box in Sicht kommt bereite ich die Halse vor und komme mit dem Heck auch gut durch. Doch beim folgenden Aufschießer wird „flexibel“ nicht langsamer, sondern behält ihr Tempo und da kommt uns schon der Achterpfahl entgegen. Ich hab’ mich völlig verhau’n, merke ich, wir haben fast halben Wind und ziemliches Tempo. Was nun? Anluven geht nicht mehr, dann krachen wir unserem Nachbarn voll ins Heck. Sabine schreit von vorne, ich soll was machen, wir sind zu schnell, doch da rauschen wir schon mit halbem Wind in die Box und mit Karacho gegen den Steg. Das hat vielleicht gekracht, „flexibel“ stieg vorne richtig hoch. Im Bootssteg hat der Bug eine tiefe Kerbe hinterlassen und am Bug sind 30 cm Farbe abgeblättert. Sabine, die ja vorne gar nichts tun konnte, hat sich heftig erschrocken, während ich so viele Hände voll zu tun hatte und mich nicht erschrecken durfte.

Die wievielte peinliche Panne ist das eigentlich? Haben wir beim Lehrgeld überhaupt noch Kredit? Hoffentlich hat das niemand gesehen, ärgere ich mich heftig. Nur gut, dass wir wenigstens kein anderes Boot versenkt haben, „... wir können nur aus solchen Fehlern lernen“, tröstet Sabine.


Fehlersuche:

Das Segeln vor dem Wind hat schwachen Wind vorgegaukelt, doch der wahre Wind war inzwischen auf 3 Bft. aufgefrischt. Nach der Halse sollte der Aufschießer folgen, doch Aufschießer nehmen, wie wir wissen, die Fahrt nur gegen die Windrichtung und nicht bei halbem Wind aus dem Boot. Während der zwei Bootslängen zum Achterpfahl beschleunigt „flexibel“ und die ungewohnte Genua bringt sogar mehr Speed – trotz loser Schoten. Zum Anluven war es zu spät. Die einzige Lücke war die Box, sonst hätte es richtig Bruch gegeben.

Alternativen:

Die (fast) leere Batterie hat uns beim Ablegen immerhin noch raus geschoben und inzwischen wurde die Batterie ein wenig aufgeladen. Ein kurzer Batteriecheck hätte diese Frage beantwortet und bei positivem Ausgang Variante 1.) ermöglicht.

1.) Aufschießer am Achterpfahl von Steg 36, Segel bergen und mit dem Motor in die Box.

2.) Draußen das Großsegel bergen und mit der Fock vor dem Wind in den Stegbereich. Rechtzeitig die Fock einrollen und mit der Restgeschwindigkeit unter Topp und Takel an den Achterpfahl, bzw. langsam in die Box - vorn den Kugelfender bereit halten.