Wir setzen Groß und Fock, aber beide Segel sind nahezu wirkungslos. „Der Wind hat seine Arbeit eingestellt“, hören wir den gerade einlaufenden Herrn Scholz, „... und wir hatten noch Glück“. Ein anderer Segler schiebt seine Neptun mit der Stakstange zurück an den Steg, anderswo werden sogar Paddel eingesetzt. Wir überlassen uns den „Kräften“ der Natur und dümpeln zwischen Steg und Sonne. Eine gute Gelegenheit für Sabine, ungestört und in Ruhe, wieder einmal die Knoten zu üben. Nach einer Viertelstunde und ohne Hoffnung auf Wind, inzwischen von einigen Klamotten erleichtert und barfuss, treffen wir eine Kursentscheidung: Wir wollen unsere Saisoneröffnung auf dem Wilhemstein erleben und dort Eis essen. Gesagt getan, unsere von der Sonne verwöhnte Batterie treibt den Minn Kota und uns langsam auf den Wilhemstein zu und um 16.30 Uhr machen wir an der Ostseite fest.

Dieser sonnige Nachmittag motort auch schon die ersten Touris auf die Insel, aber es gibt noch kein Gedränge und wir finden unseren Platz und unser Eis an der Sonne. Nur der kassierende Inselverwalter ist nicht in Sicht. Als wir vom Cafe zum Liegeplatz gehen, folgen wir einer geführten Ausflüglergruppe und kurz vor unserer „flexibel“ steht sie überraschend vor uns: Unauffälliger grauer Rock, darüber das Sakko und daran das Schild Inselverwal-tung, Fürstliche Hofkammer! Klar, der Wilhemstein befindet sich in Privatbesitz und der Fürst braucht wirklich jeden Cent. Natürlich zahlen wir und kaufen sogar für 23 € gleich eine Dauerkarte für die ganze Saison. Wenn nicht jetzt, wann denn? Ab dem 5. Anlegen kommen wir damit kostenlos und dann hat der arme Fürst das Nachsehen. Clever!

Aber warum diese Frau, wo ist der Inselverwalter, den man schon von weitem an seiner Schiffermütze erkennen sollte? Hat er vielleicht in die eigene Tasche gewirtschaftet oder Aufkleber gefälscht. „Alles Unsinn, mein Mann hat sich einen komplizierten Trümmerbruch im Fußgelenk zugezogen“, klärt uns Frau Schumann auf, „im Herbst ist er mit dem Laubpuster in der Hand über Findlinge gestolpert, die sich unter dem Laub versteckt hatten und dabei unglücklich gestürzt. Nein, die Schiffermütze setze ich nicht auf, die sieht bei einer Frau doch schrecklich aus“. Da hat Frau Schumann recht, aber nicht nur bei Frauen, ... wir sind hier auf der Urlaubsinsel mitten im Leben angekommen.

Die Vorstellung, im Winter allein auf dieser Insel zu leben, Arzt- oder Krankenhausterminen nachkommen zu müssen oder vielleicht „nur“ zum fürstlichen Chef wird durch romantische Gefühle, die so ein Inselleben jedenfalls bei mir auslöst, nicht aufgehoben. Gute Besserung wünschen wir und mit dem Aufkleber am Mast ist ein kleiner persönlicher Kontakt zur Insel entstanden.


Übrigens, der Fürst...

von Schaumburg Lippe hat nach und nach seinen Einfluss auf die Region rund ums Steinhuder Meer abgegeben, bzw. verkaufen müssen. Nur die Insel Wilhemstein befindet sich noch in seinem Besitz. Bereits 1920 wurde das Steinhuder Meer einschließlich des Hagenburger Kanals zwischen dem Fürsten von Schaumburg Lippe und dem Freistaat Schaumburg Lippe aufgeteilt. Nach dem zweiten Weltkrieg übernahm das Land Niedersachsen, mit der Eingliederung des Landes Schaumburg Lippe, das damals für ein paar Wochen sogar zu Nordrhein-Westfalen gehörte, die Rechtsnachfolge für die eine Hälfte des Meeres.

1973 erwarb Niedersachsen auch die zweite Hälfte des Steinhuder Meeres von Philipp-Ernst Prinz zu Schaumburg-Lippe. Seitdem wird das Meer nicht mehr fürstlich sondern von den Beamten der Bezirksregierung Hannover verwaltet. Hierzu gehört, jedenfalls was die Segler betrifft, die privatrechtliche Gestattung von Steganlagen, Liegeplätzen sowie Slip- und Krananlagen.


 

Um 17.30 Uhr legen wir wieder ab. Vorher hat Sabine am Poller noch intensiv den „Kopfschlag“ geübt, das ist der Knoten, der uns jetzt noch mit der Insel verbindet. Wenig später schiebt uns eine leichte Brise wieder leise übers Wasser. Auf dem Meer eine traumhafte Stimmung. Die Geräusche vom Land kommen wie durch Watte bei uns an. Wir spüren jedenfalls einen Zauber in der Luft. Vielleicht sind es Frühlingsgefühle oder liegt der Zauber in der „Meeresluft“? Ist doch egal, überliefert ist jedenfalls, dass es im Leben nur ganz wenige magische Momente gibt und dies hier ist so einer. Frau und Mann schauen sich tief in die Augen, versinken darin und jetzt ist nur noch eine Frage erlaubt: „Willst Du mich heiraten?“

Als Frau und Mann diese Frage mit ja beantworten, geht dem Wind vor Freude endgültig die Puste aus. Damit wird es still auf dem Steinhuder Meer, so still, als sollten wir diesen Augenblick ganz, ganz fest halten. Ein geschäftstüchtiger Tourismuschef würde diesen Moment als „Steinhuder Luft“ in Konservendosen abfüllen und als Souvenir verkaufen. Doch der Tourismuschef interessiert uns nicht wirklich. Wir lassen uns lange treiben..., doch irgend-wann starten wir die Batterie, um überhaupt noch an den Steg zu kommen. Staken oder paddeln brauchen wir nicht, denn unser Solarpaneel füllt die Batterie immer wieder auf. Wir „segeln“ ökologisch grün! Und nun ist die Braut die Skipperin und die bringt ihren Bräutigam sachte an Land.

Eine große seglerische Herausforderung war dieser Tag natürlich nicht. Beim Festmachen treffen wir unseren Clubwirt auf dem Steg und der erzählt, dass er nun auch den Segelschein machen will. Da können wir ihm mit diesem Buch bestimmt einige gute Tipps geben, doch wir haben ganz andere „Sorgen“. Wir können uns aufgrund des feierlichen Moments nicht entscheiden, ob wir hier oder zuhause essen und kehren „unentschieden“ auf halbem Weg in der Neuen Moorhütte ein, an deren Steg wir mit dem Boot immer noch nicht fest gemacht haben. Wir sind ganz überrascht über die freundliche Bedienung, wenngleich die Küche keine besonderen Ausreißer zu bieten hat. Matjes ist überall.