Der Pleiten, Pech & Pannen Törn

Samstag

01.09.01

Steg 37

Barometer

Wind aus West

4-5 Beaufort

18°

Bewölkt, Schauer, aber auf dem Wasser trocken

Auslaufen um 14.00

Logge beim Auslaufen

Rückkehr um

Logge bei Rückkehr

Skipper Ralf

Crew Sabine, Martina, Bernd

 

 

Verholen an die Achterpfähle von Steg 38. Groß und Fock werden gesetzt. Beim Verlassen der Stege bekommen wir auf Amwindkurs - mit Schwert - gleich ordentlich Lage (30o). Wir passieren den Wilhemstein westlich und wechseln auf Halbwindkurs Richtung Hagenburger Kanal, mit dem Ziel einer Meerumrundung. Zwischen Wilhemstein und Hagenburger Kanal beobachten wir starken Algenwuchs, der schließlich die Logge zum Stillstand bringt. Auf Vorwindkurs steuern wir den Gastliegersteg Steinhude an. Dort liegen mehrere Boote, aber für unsere „flexibel“ ist zwischen zwei anderen Booten Platz genug. Ein eleganter Aufschiesser vollendet einen, für meine geringe Erfahrung, bisher ganz ordentlichen Törn. Eis und Bratwurst, je nach Geschmack sowie der Gang durch Steinhudes Fischbrötchen-straße, bilden das touristische Gourmetprogramm.

Das Ablegemanöver spiele ich schon unterwegs „mental“ durch. Wir haben 5 Bft., liegen zwischen zwei anderen Booten und mit der an backbord back gestellten Fock soll es sowohl rückwärts als auch gleich über den Steuerbordbug vom Steg weg gehen. Doch in die back gestellte Fock fällt plötzlich eine Böe von der Steuerbordseite, das Boot dreht sich über den falschen Bug, nimmt sofort Fahrt auf, schliddert an zwei Yachten lang und die dritte, eine Neptun, haben wir plötzlich vor dem Steven. Alle Schoten sind los, aber es hilft nichts mehr. Die beiden Bier trinkenden Männer im Cockpit der Neptun reagieren geistesgegenwärtig und können mit großem Krafteinsatz eine Havarie verhindern und unser Boot am Bugkorb wegdrücken. Mit einer durchaus eleganten Halse bekomme ich unser Boot wieder in den Griff und die kreidebleiche Besatzung ist erleichtert. Die fluchenden Neptunmänner, „... ihr Anfänger!!!“, achteraus lassend nehmen wir wieder Fahrt auf. Geschafft.

Sekunden später geht ein Ruck durchs Schiff: Wir sitzen fest. Mitten zwischen dem 30 m entfernten Gastliegersteg an backbord und dem 10 m entfernten Anleger für die Rundfahrtboote auf der anderen Seite, also mitten im „Hafen“. Wir lösen sofort die Schoten und versuchen durch Gewichtsverlagerung - alle auf eine Seite - frei zu kommen. Keine Chance. Falls uns nun eine Böe von der Untiefe schiebt werden wir auf den Anleger oder auf die Fahrgastschiffe gedrückt. Was nun?

Ich signalisiere einem „Auswanderer“ unsere Notlage und der kommt mit seinem starken Außenborder längsseits und übernimmt kurzerhand die Schleppleine. Mit viel Kraft und lautstarkem Knirschen rutschen Kiel und Ruder über Grund, dann sind wir frei. Wir haben wieder eine handbreit Wasser unter dem Kiel. Ein paar Meter weiter wird die Schleppleine gelöst und die Schoten dichtgeholt. Vielen Dank. Na endlich, wir wollen doch segeln!

Traumatisierende Ereignisse sollen möglichst unmittelbar nach dem Ereignis verarbeitet werden, doch als die Crew mitten in der verbalen Ursachenbewältigung, mit Kurs auf die Badeinsel steckt, fliegt plötzlich das Ruder aus dem Lager. Die Pinne habe ich zwar noch in der Hand, doch das Ruder schwimmt langsam auf. „flexibel“ lässt sich nicht mehr steuern -natürlich kann man auch ohne Ruder mit Groß und Fock steuern, aber das ist eine andere Geschichte.

Der Skipper rollt die Fock ein, öffnet die Großschot und wirft den Anker. Jetzt brauchen wir erst einmal Ruhe. Die Ereignisse der letzten fünf Minuten sind für uns Anfänger zu einem Albtraum geworden, aber was war eigentlich passiert?

Durch den „Bodenkontakt“ wurde das Ruder beim Freischleppen stark beschädigt und fast aus dem Lager gedrückt. Die Ruderblattsicherung, ein 10 cm langes, leicht gebogenes Metallstück, wurde dabei zusammen gefaltet und der untere Ruderlagerbolzen verbogen. Als wir auf Vorwindkurs segelten hatten wir nur geringen Druck auf dem Ruder, aber nach dem Wechsel auf einen Amwindkurs wurde der Druck auf das Ruderblatt so stark, dass es, wegen der zusammen gefalteten Ruderblattsicherung, leicht aus dem Lager heraus gedrückt werden konnte, etwa wie eine Tür aus den Angeln. Davon hatten wir in diesem Moment natürlich keine Ahnung. „Setzen sie mal den Ankerball“, mahnt ein passierender Segler zur korrekten Signalführung, „sie liegen ziemlich dicht an der Einfahrt der Wasserschutzpolizei“.

Inzwischen hat Bernd das Ruderblatt ins Cockpit gezogen und beginnt mit der Begutachtung des Schadens. Für eine Reparatur fehlt uns leider das richtige Werkzeug und ein Pflaster für einen tiefen Schnitt in meinem Finger ist auch nicht an Bord. Ich bezahle jetzt reichlich Lehrgeld, natürlich sind Bordapotheke und Werkzeug inzwischen fester Bestandteil der Ausrüstung geworden.

Ein Jollensegler kommt längsseits und besorgt von den Steinhuder Wanderseglern eine Zange, doch inzwischen haben Bernd und ich mit Draht und Bändsel eine provisorische Ruderblattsicherung installiert. Damit das Ruder nicht so viel Druck bekommt, setzen wir nur das Groß und „rutschen“ behutsam zurück an unseren Steg – immer wieder die Ereignisse der letzten Minuten rekapitulierend.

Lächele, es könnte schlimmer kommen und wir lächelten und wären beinahe noch von einem anderen Segler gerammt worden – trotz Wegerecht auf unserer Seite. Das vorhin dankbar als Geschenk inventarisierte Nebelhorn erinnert den „gegnerischen“ Skipper gerade noch lautstark und rechtzeitig an unser Wegerecht. Diesmal ist der Schrecken auf dem anderen Boot, aber ein bisschen auch bei uns - oder? Heute kann nichts mehr gelingen.

Diesen Törn werden wir wohl nie vergessen. Das abschließende Essen beim Italiener isst nicht gerade berauschend und wird durch die 1 : 5 Pleite gegen England auch nicht schmackhafter.

Was haben wir gelernt?

Achteraus segeln nur mit dem Groß - in diesem Fall hätte uns der Wind auch ohne Segel vom Steg weg gedrückt. Die Pinne bewegt sich parallel zur losen Fock. Ist das Boot frei von den beiderseits liegenden Booten, die Pinne nach steuerbord und über den Steuerbordbug in die Vorwärtsfahrt. So geht das!