2008

Pfingstmontag, 12. Mai 08

Nun also endlich der wirklich erste gemeinsame Törn von Skipperin und Skipper. Protest sagen die Leute, die hier häufiger unterwegs sind, aber außer dem Überführungstörn und einem Ausflug nach Bagenkop konnte Sabine die „neue Dimension“ an Größe noch gar nicht genießen. Und Sabine will nach Eckernförde und dazu endlich Avernakø kennenlernen. Überhaupt haben wir uns für die Pfingstverlängerung vorgenommen, möglichst nur Häfen anzulaufen, die wir noch nicht kennen, also los.
 
Seewetterbericht: W – NW 3 – 4, See 0,5 m

Um 1300 sind wir endlich so weit, die Skipperin motort uns bei herrlichem Sonnenschein aus dem Hafen. Wenn das mal was wird, mit Eckernförde, da müssen wir bestimmt lange Schläge gegenan segeln. Zwanzig Minuten später segeln wir den ersten langen Schlag, vorbei an Flügge und möglichst hoch am Wind nordwärts. In den Großen Belt, das wär' jetzt ein Superkurs, nach Kerteminde oder vielleicht Korsør, aber doch nicht Eckernförde. So kommen wir da nie hin. Also doch Bagenkop oder Marstal - ist doch ein alter Hut ..?

Um 1507 dann die erste Schweinswalsichtung dieser kurzen Reise und damit "mein" siebter "Braunfisch" (alte Bezeichnung) der Saison. Eine Stunde später müssen wir den Kurs auf SW ändern, sonst landen wir wirklich noch im Kattegat. Wie ihr rechts seht, angenehmes Segelwetter - noch.
   
Wie aus heiterem Himmel, hier passt das wirkich, dreht der Wind innerhalb von 5 Minuten auf NO und kommt statt wie bisher mit drei nun mit fünf, in Böen mit sechs Bft. daher. Plötzlich haben wir alle Hände voll zu tun, reffen Genua und Groß und haben unverhofft den bestmöglichen Kurs nach Bagenkop, wobei gelegentlich Spritzwasser überkommt. Eckernförde kannste also vergessen. Der unverhoffte Winddreher war denn auch das Gesprächsthema mit vielen anderen Crews nach dem Anleger in Bagenkop. Selbst die frisch gekürten Gewinner der Aalregatta mussten mit ihrer Comfortina am Ende die Maschine bitten.

Nach 30 sm hat uns Bagenkop endlich wieder und spendiert einen sundowner, wie er im Buche steht.



Dienstag, 13. Mai 08, Bagenkop - Æreskøbing

Seewetterbericht: O – SO 5, später abflauend
 
Wir lassen uns viel Zeit und bei Ost um vier und eitel Sonnenschein schiebt uns die Genua raus in die Marstalbucht. Sollen wir mehr Tuch setzen, vielleicht sogar den Blister? Nein, nicht hetzen und diese Maßnahme stellt sich als goldrichtig raus, denn wenig später bläst es mit 5, gelegentlich sogar mit 6 Bft.

Als wir Marstal nach 7 sm, um 1340 passieren (links) flaut der Wind wieder ab, um ein paar Minuten später den Kahn wieder so richtig "auf die Backe" zu legen. Hinzu kommt, dass die Untiefentonne vor Strynø ganz schlecht auszumachen ist. Erst als mir der Plotter die Richtung weist kommt Entspannung auf. Bis zur Tonne kneifen wir uns noch durch, dann Abfallen und wieder Schiebewind, die ganze "Rinne" runter. Traumhaftes Segelwetter und das Tolle ist, es soll so bleiben.

Beinahe zwei Stunden hangeln wir uns an Inseln und Inselchen entlang. Schon mal gehört? Strynø (218 Einw.), Bredholm (jede Menge Federvieh), Birkholm (10 Einw.) und die andere Seite: Halmø, Lille Egholm und Store Egholm (Einw. wie Bredholm). Und wer's noch nicht weiß, Holm heißt Insel. Gemessen an den kleinen Inseln wollen wir heute downtown nach Æreskøbing (970 Einw.). Die Stadt haben wir ja schon besucht - mit dem Fahrrad, mit dem Boot waren wir noch nie hier. Gehen wir in den alten Hafen oder in den Yachthafen? Wir entscheiden uns für den Yachthafen, weil wir dort einen besseren Service erwarten dürfen. Nach 17 sm rollen wir die Genua vor dem Hafen ein und um 1610 sind wir fest in Æreskøbing (u.l.).

Hafenmeister? Keine Spur. Im Hafen knöpft Dir der Automat die Kronen ab. Und lade die Geldkarte gut für Strom und Wasser auf. Niemand mag das gern, aber es ist wohl leider nicht aufzuhalten. Nun der angenehmere Teil:  

Auf die kleinste Eisbude der Welt haben wir uns schon so lange gefreut und wenn Du Æreskøbing besuchen willst, dann musst Du zunächst hierher. Erst dann beginnt die Reise in eine andere Zeit. 

In Æreskøbing scheint die Zeit wirklich stillzustehen. Erste Nachweise konnte man auf das 13. Jahrhundert datieren, aber die Stadt selbst wird namentlich erst im 15. Jahrhundert erwähnt. Ærøskøbing war (und ist) als einzige Stadt unbestritten das Zentrum der relativ wohlhabenden Insel, doch ging ihre Bedeutung nie weit über das nähere Umland hinaus.
   
Ærøskøbing blieb eine Kleinstadt von lokaler wirtschaftlicher Bedeutung. Daran hat sich im Prinzip bis heute nichts geändert. Das geringe Wachstum hatte den Vorteil, dass das historisch gewachsene Kleinstadtbild fast vollständig erhalten geblieben ist. Die malerische Hafenstadt wurde zu einem Touristenmagneten. Der Tourismus ist heute auch die Haupteinnahmequelle der Stadt, deren Einwohnerzahl kontinuierlich sinkt. Von der in Dänemark ohnehin stark ausgeprägten Landflucht sind Inseln wie Ærø besonders stark betroffen, schreibt Wikipedia zu Ærøskøbing.
   
Wie eine Puppenstube wirkt die beinahe mittelalterliche Stadt, die heute im Dornröschenschlaf zu liegen scheint. Die wunderbar in die Puppenstube passenden Frygastpuppen findest Du direkt am Marktplatz. "Richtig was los" ist eigentlich nur bei Netto, direkt am Yachthafen und hier kauft wohl die ganze Insel ein. Jetzt, Ende Mai, wird die Stadt eigentlich nur von Seglern oder Radfahrern besucht, der gemeine Tourist lässt noch auf sich warten.
    
Am späten Abend besuchen wir noch die berühmten Badehäuser und lassen uns vom tiefen Sonnenlicht verzaubern. Viele Familien verbringen hier die Sommerfrische. Jedes Strandhäuschen natürlich ein Unikat und ein Vergnügen, diesen wunderbaren Strand zu entdecken ... 

... und dann ist aber auch gut.



Mittwoch. 14 Mai 08, Æreskøbing – Avernakø

Seewetterbericht: O 2 – 3, später SW drehend

Nach Avernakø sind es ja nur ein par Meilen, also holt sich Sabine noch einen Æreskøbingnachschlag, bevor wir um 1520 die feine Insel verlassen. Hatten wir nicht eben noch vier Bft.? Von wegen Blisterwetter, der Wind weht weder aus der richtigen Richtung, noch weht er überhaupt. Also Segelpause, dänischer Kuchen und dafür sensationelles Wetter, als wir am südlichen Küstenabschnitt von Drejø entlangrutschen. Hier war ich doch gerade erst mit Klaus & den Mädels. Trotzdem, wohl oder übel müssen wir erstmals die Maschine laufen lassen ...

... und bekommen sogar noch Besuch. Mehrfach sichten wir Schweinswale: Zwei um 1615, drei um 1640, aber erst als wir bei Nakkeodde, das ist die Nordosthuk von Avernakø, wieder ein bisschen Wind zu fassen kriegen, drängen sich zwei Marsvine so richtig vor die Kamera. Schweinswalcasting nennt man diese Sportart. Natürlich gehen auch diese Sichtungen wieder an die gsm, aber das kennst Du ja schon.  

Dass wir kurz vor dem Hafen noch eine kleine Vorwindregatta segeln und der Skipper dabei den lebenden Spibaum gibt, zeigt deutlich das hohe Engagement der Crew. Nun denn, um 1820 sind wir nach 11 sm wieder in einem neuen Hafen.

Nun also Avernakø mit dem Bordfahhrad. Die Insel bestand ursprünglich aus den beiden Inseln Avernakø und Korshavn, die 1937 durch einen 700 Meter langen Damm verbunden wurden. Im Revierführer lesen wir bei Gerti Claußen: "Avernakø ist bekannt für seine Maibäume in Avernakø By und in Munke. Ansonsten findet man Maibäume nur noch auf der Insel Strynø. Der Maibaum von Avernakø By ist der größte und in seiner Form der ursprünglichste Maibaum Dänemarks. Am Pfingstsamstag versammeln sich die Männer des Dorfes um den Baum. Mit Hilfe von langen Stangen legen sie ihn nieder, entfernen den alten Schmuck, teeren den Stamm, schmücken ihn neu und richten ihn wieder auf." Schade, da kommen wir leider 5 Tage zu spät.

Es gibt täglich mehrmals eine Fährverbindung zwischen Avernakø, Lyø und Fåborg (Südfünen). Zur Grundschule fahren die Kinder mit der Fähre auf die Nachbarinsel Lyø. Avernakø ist in West- Ostrichtung 8 km lang, 5,9 km² groß und zählt 110 Einwohner (1. Januar 2006), im Sommer kommen sicher ein paar Touristen dazu.
  
Ein Fahrrad ist wirklich hilfreich. Vom Hafen ins Dorf ist es ca. 1 km. Auf der Insel gibt es einen kleinen Købmand, leider keinen Kro, keinen Imbiß und auch keinen Kiosk.
   
Segler können zwischen dem neuen Hafen neben dem Fähranleger auf Avernak, so hieß früher der westliche Inselteil, in dem wir fest geamcht haben oder dem Hafen Korshavn Bro (lks.) auf Korshavn wählen - Achtung max. 1.60 m Tiefgang, an der Außenseite der Brück (bro) bis 2,4 m. In beiden Häfen werden Fahrräder verliehen.

Aufgrund seiner langgestreckten Form bietet Avernakø mit 19 km Küstenlinie viele Badestrände und ein Paradies für Angler. Es gibt ein reichhaltiges Vogelleben und mit etwas Glück kann man die seltenen Unken hören - oder vielleicht sogar in den zahlreichen Wasserlöchern sehen.

Und noch etwas gibt es hier: Einen Hafenmeister! Und der stapelt morgens 5 Kronenstücke als Wechselgeld für die Duschen offen neben den Sanitärräumen auf den Tisch. Die heile Welt hat einen Namen: Avernakø



Donnerstag, 15. Mai 08, Avernakø – Dyvig

Seewetterbericht: Umlaufend 2 – 3, später W – NW 3

Nun muss ich vorneweg was über "Sonny" sagen. "Sonny" ist eine 46er Bavaria und hat die letzte Nacht neben uns verbracht. An Bord eine angehende Skipperin und 5 Skipper, die Sven im letzten Jahr zum SKS begleitet hat. Sven ist auch diesmal der Skipper, aber eher mit der Crew als Berater unterwegs, der Alternativen aufzeigt, reflektiert und nicht den Besserwisser gibt. So muss Ausbildung sein und ich lerne selbst bei den diskutierten Ablegevarianten dazu - würde ich natürlich nie öffentlich zugeben. Die "Sonny" geht schon früh raus und will in die Dyvig. Als Sven erfährt, dass wir nach Augustenborg wollen, ernten wir von ihm ein wenig Mitleid, "... das ist grottenlangweilig, fahrt da bloß nicht hin," und weg sind die sechs Dschunxx und eine Frau.

Wir verlassen Wilfried Erdmanns Lieblingsinsel gegen 1300. Den Blister habe ich bereits im Hafen angeschlagen, aber nachdem der Kurs anliegt und der Blister steht, wird klar, dass uns das Leichtwindsegel nur kurze Zeit weiter bringt. Also wieder runter damit. Naja und das war's dann auch schon mit Segeln. Mehr und mehr flaut der Wind ab, sodass wir beinahe auf Kollisionskurs mit der Fähre Fynshav - Bojden Bro geraten, wir bleiben ja beinahe stehen! Der Wetterbericht hatte doch "später" W – NW 3 angekündigt und "später" meint doch die zweite Tageshälfte. Also, wo isser denn (der Wind)? Nein, da kommt nix mehr, keine Wolken in Sicht, der VolvoPenta muss es wieder richten und das sonore Geräusch hat wieder mal einen Schweinswal zum Casting eingeladen (1735).
   
Während wir Alsen nördlich umfahren macht sich Langeweile breit. Wohin fahren wir überhaupt, fragen wir diverse Revierführer und entscheiden uns ebenfalls für die Dyvig. Einerseits, weil wir mit dem eigenen Boot noch nie in die beliebte Ankerbucht gefahren sind und außerdem haben wir gar nichts gegen ein Wiedersehen mit der Sonnycrew. Und dann doch noch ein laues Lüftchen, sodass wir uns wenigstens von der Genua vom Alsensund in die Dyvig ziehen lassen.

Wie ein langer Trichter mündet die enge, geschlängelte Durchfahrt, die mit einem guten Dutzend Spieren ausgesteckt ist, in die Ankerbucht. An der schmalsten Stelle können sich größere Fahrzeuge nicht begegnen, also Vorsicht. Hat man die Engstelle passiert ist's kinderleicht - Kunststück, bei 2 Bft. Schiebewind. Bei viel Wind, Welle und evtl. sogar Strömung ist das eine andere Geschichte.

Leider wird die Dyvig bis September 09 von einer großen Baustelle lautstark dominiert. Wo einst der Kro stand wird jetzt ein großes Hotel gebaut. 2010 kommen wir vielleicht mal wieder, aber bis dahin sieht uns hier keiner mehr. Neben der Baustelle dominiert der Yachthafen die Bucht und natürlich sind auch schon ein paar Ankerlieger hier. Als wir um 2015 nach 25 sm neben der "Sonny" festmachen ist es beinahe schon dunkel und die Sonnycrew ziemlich gefrustet. Keine Kneipe, kein Kro und das am letzten Abend an Bord. Die Pantry kratzt noch ein paar Hamburger zusammen, aber dann ist Schicht. Die zwei Flaschen Bier bei uns an Bord helfen der Crew keinen Schluck weiter, Neptun erbarme dich der Sonnycrew.


 
Freitag, 16. Mai 08, Dyvig – Schleimünde

Seewetterbericht: NW 2 – 3

Um 0900 verabschiedet sich die halb verhungerte aber in jedem Fall verdurstete Sonnycrew mit Skipper Sven (unten) auf ihren Kurs nach Flensburg.
    

An Bord von "Kalami Star" wird erst einmal ausführlich gefrühstückt (u.). Wir lassen alle ziehen.
    

Wieder so ein wunderbarer Tag, wir können's kaum glauben. Um 1200 verlassen wir - bei leichten nördlichen Winden - die Dyvig und als wir den Alsensund erreichen sollen uns Blister und Groß durch den Sund treiben. "Natürlich" tun sie das nicht, wir müssen die jämmerliche Vorstellung schon nach 15 Minuten beenden. Ist denn auf den Wetterbericht gar kein Verlass meer? Noch ein Motortag?

Und so motoren wir den Alsensund südwärts, lassen Geschichte Geschichte sein und haben keinen Bock auf die Düppeler Schanzen und die Eroberung Sonderburgs durch Preußen 1864. Viel interessanter ist die Frage, wann denn die Klappbrücke in Sønderburg öffnet.

Um 1410 erreichen wir die "Warteschleife" vor der Brücke (u.l.), die überraschend um 1413 öffnet, wir können beinahe glatt durchfahren und passieren dabei bestimmt 5 Boote, die mindestens eine Stunde vor uns aus der Dyvig raus sind. In der Ruhe liegt halt die Kraft oder Glück gehabt.
   
Sønderburg ist schon eine wunderbare Stadt und für einen Moment überlegen wir, wenigstens am Hafen Kaffee zu trinken. Die Hafenpromenade ist wirklich einmalig, aber die kennen wir ja schon und außerdem wollen wir nicht unbedingt nach Sonnenuntergang Schleimünde erreichen. Also weiter.

Nachdem wir Sønderburg und das Schloss passiert haben, kommt endlich der Wind, aber nicht aus NW sondern "natürlich" von vorn. Schnell ist der Blister geborgen, stehen Groß und Genua wie ne eins (1425). Ein Vierer lässt uns aus der Außenförde heraus kreuzen, ein wirkliches Vergnügen. Sabine ist begeistert, "... das ist der geilste Segeltag. Endlich kann ich mal an den Schoten reißen, kommt es auf schnelle Manöver an." Na klar, wir liegen mit einer 36er Dehler auf Parallelkurs und natürlich wollen die beiden Dschunxx einer Bavaria mit Rollgroß zeigen, wo's lang geht. Über mehrere Schläge hinweg kann sich kein Boot auch nur einen Hauch absetzen und zwei Stunden später sorgt der nachlassende Wind für das Ende der Regatta. Schade eigentlich.

Dann also wieder das eiserne Segel und endlich aus der Ferne die für Schleimünde so typische Baumgruppe, der Leuchtturm und mit dem Festmachen in Schleimünde betreten wir um 1930 nach 33 sm schon wieder "Neuland". Hier waren wir noch nie, aber so oft sind wir dran vorbei gefahren.

Der Hafenmeister (u.r.) ist natürlich längst zuhause, also wird die Liegegebühr in einen Umschlag gesteckt, mit dem Bootsnamen versehen und damit hat sich das. Besonders liebevoll werden wir allerdings nicht empfangen. Eine Möwe nistet direkt nebenan auf dem Dalben und verteidigt mit Tiefflügen ihr Revier. "Hitchcock lässt grüßen", murmelt der Nachbar halb zur Möwe, halb zu uns, "... vor drei Wochen hattse ihr Nest gebaut, da war noch kein Schwein hier, nun darf se sich nicht wundern, wenn täglich mehr Besuch kommt!"

Schleimünde ohne Giftbude geht eigentlich gar nicht. Neben der "Schleiperle" in Arnis und der "Bier Akademie" in Kappeln die kulinarischen highlights an der Schlei. Natürlich gibts noch mehr Gourmettipps für Segler. Klick einfach mal hier ins Forum - ist allerdings nicht mehr so ganz neu.

Wie Du siehst, genießen wir den Abend vor der Giftbude in vollen Zügen. Es ist einfach eine ganz besondere "Ecke", wie konnten wir eigentlich nur solange ohne Giftbude ...


   
Samstag, 17. Mai 08, Schleimünde – Heiligenhafen

Seewetterbericht: NW 3 – 4, N drehend, vereinzelt Schauerböen, vereinzelt diesig

Heute morgen hat die Möwe ihre Attacken eingestellt und der "Nachbar" erzählt, dass er zur Crew der John T. Essberger gehört. Ein Profi der DGZRS also, da dürfen wir uns immerhin als eifrige Geldsammler für unsere Retter outen - wenn Ralf im Winter seine Filme zeigt, gehen die Einnahmen ins "Schiffchen". Und wir erfahren noch viel mehr, nämlich was aus dem stillgelegten Marinestützpunkt Olpenitz wird und welche fatalen Folgen die Schließung für die Menschen hat.

Offensichtlich gibt es inzwischen verwertbare Pläne für den aufgegebenen Marinestützpunkt. Wer noch mehr erfahren möchte, sollte dazu google bemühen. Mit 1030 legen wir so früh wie nie ab, liegen doch gute 40 sm vor uns. Ja und an diesem Samstag kippt das hervorragende Wetter, es könnte sogar regnen. Als wir den Hafen verlassen, fädeln wir uns in den Konvoi ein, der hier alle 45 Minuten seewärts durchzieht (nach Brückenöffnung in Kappeln). In dem "Getümmel" setzen wir die Segel lieber draußen.

Und draußen schiebt uns eine kleine Brise am maritimen Truppenübungsplatz der Bundesmarine (Sperrgebiet vor Olpenitz) vorbei. Warum wird das Sperrgebiet noch ausgewiesen, wenn der Stützpunkt dicht ist? Vielleicht kann mir da jemand auf die Sprünge helfen. Wie heißt noch Seglers Lieblingsthema? Richtig, Wind. Und dieser Wind lässt uns wieder mal stehen. Wenn wir hier weiterhin mit 2 Knoten rumdümpeln werden wir Heiligenhafen nicht mal Sonntagabend erreichen. Wieder muss der Blister ran, aber selbst zum Spi umfunktioniert hilft uns das nicht wirklich weiter.

Um 1330 schmeißen wir aus Verzweiflung den Jockel an und lassen, wie so oft in dieser Woche, den Autopiloten für uns arbeiten. Zu allem Überfluss zieht die Kieler Bucht langsam zu. Gegen 1600 seit vielen Tagen der erste Regen und damit wird die Sicht immer schlechter. Natürlich brennen die Positionslaternen, aber immerhin lässt uns der Kiel - Ostseeweg ohne Kurskorrektur passieren.

Als wir Heiligenhafen nach 39 sm um 1830 erreichen machen wir unseren Dampfer in Ölzeug und Gummistiefeln fest. Das nasse Ende einer wunderbaren Dienstfahrt durch Neuland nach 138 sm.

Mittwoch, 30. April 08

Dieser Törn in den Mai begann eigentlich schon vor ein paar Jahren, als Sabine und ich Klaus bei der Clubregatta des SCMa erstmals auf dem Steinhuder Meer begegneten. „Wo geht's denn hier zum Ziel?“, fragte Klaus draußen auf der Regattabahn ausgerechnet uns, die wir hoffnungslos hinten lagen. Am Ende fanden wir selbst das Ziel nicht mehr … es war längst abgebaut. Seitdem kenne ich Klaus und nun sitzen wir endlich das erste Mal in einem Boot, pardon zunächst natürlich noch im Auto und vor uns auf der A 1 sind 14 km Stau von Stillhorn bis Moorburg angesagt.

Hinten anstellen und warten? Nicht mit Klaus. Die Alternative über Lüneburg? Zu lang. Klaus nimmt die A 7, aber auch hier 12 km Stau vor dem Dreieck Nordwest. Doch sein TDI zeigt dem Stau permanent die Rücklichter und dann schlagen wir uns nördlich von Hamburg durch die Landschaft. Marla, Klaus' dreizehnjährige Tochter und ihre Freundin Esther sind von ihrem Steuermann begeistert, der uns in Bad Oldesloe wieder auf die A 1 bringt. Zeitgewinn? Keine Ahnung, aber immerhin haben wir uns nicht hinten angestellt ...

Dann endlich Heiligenhafen. Hoffentlich hat die Küche noch auf. Zu viert kreuzen wir im "Seestern" auf, den kennt ihr ja schon, und zwei Stunden später fallen wir todmüde in die Koje. Morgen noch kurz einkaufen und dann ab in den Mai …
 

 
Donnerstag, 01. Mai 08, Heiligenhafen - Marstal

Seewetterbericht: SW 2 – 3, später umlaufend

Am 1. Mai ein Einkauf bei Sky? Denkste Skipper, der Laden ist dicht. Aber was nun? Die Bäcker waren jedenfalls nicht auf der Demo und bei "Mien Bäcker" hängen keine roten Fahnen. Brötchen und frische Milch bekommen wir ohne Mainelke und beim nächsten Bäcker gibt's sogar noch die Frühstückseier. Irgendwas aus dem heimischen Kühlschrank ist ohnehin an Bord, unsere Not hält sich also in Grenzen. Marla und Esther nehmen's ebenfalls gelassen.

Die Sicherheitseinweisung nach dem Frühstück will ich hier mal vernachlässigen, aber um 1015 sind wir seeklar und legen ab. Draußen bei der Fahrwassertonne setzen wir Vollzeug, schieben bei 5 Bft. auch gleich Lage, sodass der Skipper Groß und Genua ein wenig reffen läst. Vorsicht ist nun mal … und wer zwei 13jährige Mädels transportiert, hat allen Grund dazu. Apropos zwei Mädels: Böse Zungen werden nach unserer Rückkehr vermutlich über den Mädchentransporter berichten und weil die Ladies manchmal gar nicht aus ihrer Luxussuite herauskommen, wird mann uns vermutlich sogar noch Mädchenschmuggel anhängen.

Aber vor dem Schmuggel wird erst einmal gesegelt, obwohl uns der Wind immer mehr verlässt. Viel ärgerlicher ist, dass uns eine First 31.7 langsam wegrutscht. Wir können ihr einfach nicht folgen, obwohl wir alle Trimmmöglichkeiten ausreizen. Wir quälen die Schoten, den Traveller, verändern die Holepunkte und selbst der Baumniederholer bringt nicht den fehlenden Kick. Sind die schnell … aber dann kassieren wir sie doch langsam wieder – unter Motor, wie peinlich.
   
Am Kiel-Ostseeweg steht die Peilung zu einem Tanker, den wir lieber passieren lassen und wie immer läuft gegen 1600 die "Color Fantasie" auf ihrem Kurs nach Oslo weit achteraus durch, wir haben den Dovns Klint, die Südspitze von Langeland erreicht.

Um 1830 erreichen wir nach 36 sm Marstal auf Ærø. Wie oft habe ich hier schon festgemacht? Und genau deshalb will ich in „meine“ alte Box, ganz hinten, am Ende der Boxengasse. Also rutschen wir langsam die Boxengasse runter und bringen das Boot über Bb. Ruder an den Luvpfahl - gleich neben eine X-Yacht. Genau da steht Esther mit dem Palstek der Heckleine, aber der Luvpfahl will und will nicht näher kommen. Da läuft doch was schief ? Wir sitzen fest, ach du Scheiße! Ich merke es sofort, gebe kräftig rückwärts und sofort sind wir wieder frei … hängen aber nun zwischen den Pfählen so richtig in der Falle. Großes Hafenkino jedenfalls (für die Anderen) und Kleinholz obendrein. Der Flaggenstock muss, nach der Pleite in Travemünde, schon wieder dran glauben und die Geschichte vom Flaggenstockabfahrer wird mich von nun an gnadenlos verfolgen. Wenn es noch einmal einen Flaggenstock geben wird, so wird der bei jedem Hafenmanöver ins Cockpit verdammt. Der "Adenauer" wird sich vermutlich im Grabe umdrehen und mein Mitsegler droht mit Meuterei, wenn er nicht die nächsten Hafenmanöver fahren darf.
    

Und da Du auf dieser website schon so oft in Marstal warst, will ich nur noch kurz berichten, dass der Supermarkt längst geschlossen hat, was auch sonst. Also gibt's zum sundowner Erbsensuppe aus der Dose, dazu Rotwein vom Feinsten. Während diverse Crews aus Heiligenhafen die Grillplätze erobert haben und die Saisoneröffnung feiern.
 


Freitag, 02. Mai 08, Marstal – Drejø (via Svendborgsund)

Seewetterbericht: Ost bis Südost 3, später umlaufend

Traumwetter. Während die Mädels noch selig schlafen sitzen die Dschunxx längst vorm Brugsen und wollen da rein. Dann noch zum Bäcker, endlich Kaffeeduft und Frühstück draußen im Cockpit. In der Suite der Mädels regt sich noch nix, erst nachdem wir um 1115 wieder unterwegs sind kommen die Kopfhörer mit den Mädels ans Licht der Welt.

Und da ist es gerade ziemlich spannend: Dass uns eine neue X-Yacht kassiert ist klar, aber vor uns doch schon wieder die 31.7er First. Die darf uns nicht noch einmal weglaufen.
   
Zwei Meilen weiter haben wir die First, doch kurz vor dem Rudkøbingfahrwasser sind sie doch wieder an uns vorbei. Nun geben wir alles, lassen sogar noch den Blister fliegen und kommen Stück für Stück an die First heran. Du hättest mal das Weiße im Auge des Skippers sehen sollen. Beinahe Planke an Planke kassieren wir die First direkt vor Rudkøbing und sehen sie auf diesem Törn auch nie wieder …

Bei Waldemars Slot wird der Blister geborgen. Inzwischen haben wir 5 Bft. und sind auf Amwindkurs unterwegs in den Svendborgsund. Diese Ecke ist für mich einer der schönsten dänischen Küstenstreifen. Mit sportlichem Ehrgeiz segeln wir bis vor den Museumshafen von Svendborg, doch dann haben wir Wind und Strom von vorn, treten auf der Stelle und müssen den Jockel anschmeißen.
   
Nach dem Sund wechseln wir in die „Pappelallee“, die beinahe bis vor die Haustür von Ærøsskøbing reicht und können endlich wieder segeln. Wir genießen die wunderbare Stimmung in der Abendsonne und Klaus besteht darauf, den Anleger zu fahren. Ich weiß gar nicht was er hat, der "Adenauer" hängt doch sicher am Achterstag ..? Okay, Klaus bekommt seinen Anleger und setzt uns butterweich an die Pier. Hinein in eine Idylle, in der noch jeder seinen Platz findet, die Crews draußen an Tischen und Grills sitzen und unsere Mädels ganz schnell die Umgebung erkunden. Was'n da los?
   
Dieser Abend soll dem heimischen Kro gehören, die Kombüse bleibt heute kalt. Die Nachrichtenlage ist dazu offenbar schlecht. Hat der Kro nun zu oder nicht? Die Ladies rücken nicht so ganz mit der Sprache raus und noch einmal in den Ort wollen sie auch nicht. Widerstand kündigt sich an … aber wir Pädagogen gehen mit dem Widerstand (u.r.) und damit direkt zum Kro ins Centrum der Insel.
   
Und der hat natürlich – geschlossen, klar. Da stehen wir nun mitten im Ort, umzingelt von 69 Einwohnern (Stand 2006) und der ausgelagerten Kirche und in so einer Situation fällt es schwer, dem Ort auch nur ein wenig Charme abzugewinnen. Früher eins der schönsten Dörfer auf den „kleinen Inseln“ ahnen wir an dieser Stelle nicht, dass der Ort 1943 vollständig abgebrannt war. Ein Dachdecker hatte, nach getaner Arbeit am Reetdach des Pfarrhauses, seine Pfeife ausgeklopft und damit ein Feuer entfacht, das am Ende alle Reetdächer und Häuser des Dorfes verwüstete. Reetdächer gibt es auf Drejø seitdem fast nicht mehr.
   
Na schön, der Kro hat dicht und die Mädels zicken ordentlich rum. Sogar eine Straßenblockade soll uns tief beeindrucken. Wir haben nur eine Chance: Spaghetti!!! Also gibt's das schnellste Essen der Welt unter fremden Sternen im Cockpit, dazu erlesene Säfte und den hervorragenden Roten vom größten Discounter. Der Anflug von Meuterei hat sich damit bei den Ladies erledigt. Leider können sie dem wunderbaren Sternenhimmel überhaupt nix abgewinnen – stattdessen zappt sich der weibliche Teil der Crew lieber unter Deck durchs www. Klaus und der Flaggenstockabfahrer reden über Gott und die Welt und schwören sich zur guten Nacht ewige Freundschaft, Dschunxx halt.
 

 
Samstag, 03. Mai 08, Drejø – Orth/Fehmarn

Seewetterbericht: W 3, diesig, Frühnebelfelder

Unsere Mädels liegen noch in der Koje, während wir um 1100 in die Achterspring eindampfen und den Kahn losbinden. Gleich vor der Haustür steht schon der Blister für die Reise durch die Fahrrinne. Wir haben beinahe achterlichen Wind, es ist wirklich noch diesig, aber die Sicht beträgt wenigstens 4 – 5 Meilen. Easy sailing. Birkholm wird passiert und am Ende des Fahrwassers muss der Blister wieder runter, nun bringt uns die Genau nach Marstal. Um 1300 grüßt der Flaggenstockabfahrer kurz rüber in den Hafen, danach nehmen wir mit Groß und Genua Kurs auf Heiligenhafen. Legen wir ein gutes Tempo vor, segeln wir durch, läuft es langsam, gehen wir nach Bagenkop.
   
Es läuft wunderbar. Der leichte Westwind schiebt uns mit 4 bis 5 Knoten nach Südost. Wir lassen segeln. Der Autopilot steuert, auf dem Kiel - Ostseeweg gähnende Langeweile. Die Crew räkelt sich in der Sonne, liest, die Mädels singen, was sie im Kopfhörer hören und die Welt ist sooo weit weg. Doch plötzlich um 1550 ein Schweinswal auf 54 38' N und 43 41' O, 30 m achteraus im Kielwasser. Aufregung an Bord, die sich noch steigert, als uns um 1625 eine kleine Schule ein paar Minuten begleitet. Wir meinen, dass wir drei Schweinswale unterscheiden konnten, bekommen aber immer nur einen vor die Kamera. Die Experten der gsm werden vermutlich wieder sagen, dass es doppelt so viele waren. Okay, haben wir halt nur die Spitze des Eisberges gesehen.
   
An dieser Stelle ein Hinweis auf die Gesellschaft zum Schutz der Meeressäuger, kurz gsm erlaubt: www.gsm-ev.de. Selbstverständlich werden wir auch diese Sichtungen online an die gsm weiter geben. Die Sichtungen werden dort ausgewertet und sind für die Ausweisung von Schutzgebieten höchst willkommen. Bitte beteiligt euch ebenfalls daran.
   
Nach diesem highlight beendet der Wind sein Tagewerk, wir müssen motoren. Da uns die Schweinswale an diesem Tag offenbar wohlgesonnen sind, sichten wir um 1800 noch einmal zwei Schweinswale und um 1815 den Letzten. Längst ist Flügge in Sicht, vorsichtig passieren wir den Sandhaken und haben bald Orth/Fehmarn voraus (u.l.). Um 1910 sind wir fest. Nein, noch nicht ganz, denn ausgerechnet der Hafenmeister übernimmt die Vorleine und kann sich die Bemerkung, "... erst bezahlen, dann festmachen", nicht verkneifen. Willkommen in Orth.
   
Wieder einmal verzaubert die Abendsonne den Hafen in südliches Flair. Dass wir auf der Terrasse des Piratennestes sogar noch einen Platz an der Sonne ergattern setzt diesem Tag die Krone auf. Einzig eine mehr oder weniger durchgeknallte Möchtegernfotografin aus Hamburg gibt lautstark ihren Genieverdacht gegen sich selbst zum Besten und nervt das amüsierte Publikum. Was für eine Show - ich meine den sundowner.
 

 
Sonntag, 04. Mai, Orth/Fehmarn - Heiligenhafen

Seewetterbericht: Ost 2 -3, Frühnebelfelder

Das Wetter kann nicht schöner sein. Wie gewohnt schlafen die Mädels als wir ablegen. Die sind in einer völlig anderen Welt unterwegs und dabei so was von zufrieden. Sie stören uns nicht beim Segeln und wir lassen sie in ihrer Welt, trotzdem sind die Ladies nach dem Erwachen heute irgendwie zickig – vielleicht weil es nun wieder nach Hause geht? Die Dschunxx haben da ganz andere Sorgen, drehen langsame Kreise und kalibrieren Autopiloten und Windgeber.

Dann mit Maschinenfahrt weiter über den Fehmarnsund - von Wind kann keine die Rede sein. Eine andere Segelyacht kreuzt unseren Kurs unter Motor und produziert beinahe eine Havarie. Einen Moment denke ich, die sind im Fahrwasser, nehme Fahrt raus und lasse die Yacht passieren, doch dann ruft ein Segler: "Wir sind nicht besoffen, wir üben nur!" Das war richtig knapp. Klar waren die ausweichpflichtig, rechts vor links, das Fahrwasser kommt doch erst noch.

Eine halbe Stunde später sind wir im Fahrwasser nach Heiligenhafen. Dummerweise wettet Klaus, dass er ohne den Pfahl zu touchieren in die Box fahren wird. Wetten, dass er verlieren wird? Bootsbreite 3,68 m; Abstand zwischen den Pfählen 3,70 m. Vergisses, Klaus, um 1300 ist der Mädchentransport in den Mai zu Ende.

Klaus zu diesem Logbuch ein paar Tage später: Wie immer lustig geschrieben und dass Du noch gewinnst war ja klar, grins. Männer unter sich, kommentiert der Autor.
Drei Tage Arbeit & Leben(?) in der Winterlagerhalle von Jürgen Kölln (Burgstaaken/Fehmarn), am vierten Tag lassen wir Winter und Lager hinter uns. Vor uns die erste gewerbliche Saison und damit der Auftakt in ein völlig neues Abenteuer. Aber der Reihe nach: "Kalami Star" bekommt zunächst ihren 3., 4. und 5. Anstrich Primocon auf den Kiel. Danach VC-Tar2 Grundierung und am Ende VC-Offshore Antifouling. Zwischendurch die Überprüfung der Gasanlage, die überprüften Schwimmwesten kommen an Bord, die neue Rettungsinsel wird montiert und das reicht schon mal für die ersten drei Tage. Zum Wochenende gibts Heimaturlaub und 96 gewinnt endlich wieder!

Am Montag die letzten Vorbereitungen. Bernd montiert das neue Positionslicht, Segel, Sprayhood und Kuchenbude kehren vom Segelmacher an Bord zurück. Die Salinge werden montiert, Wanten und Stage klariert, Windmessgeber, UKW-Antenne und Flaggleinen nicht vergessen, bevor wir den Mast zum Kran jonglieren. Jürgen hat's da viel leichter, hängt unseren Stern kurzerhand hinter den Trecker und jetzt geht's endlich los.
   
Kranen und Maststellen gelingen souverän, obwohl das mit "Kalami Star" für uns eine Premiere ist. Die Maschine ist auf Knopfdruck da und nun wird der Mast handwarm justiert, der neue Baumkicker montiert, Fallen und Schoten werden geschoren und alles gelingt völlig problemlos. Plötzlich klopft der Hafenmeister an und erst jetzt merken wir, dass es bereits 1830 ist. Fahr'n wir noch rüber nach Heiligenhafen?

Und ob wir fahr'n! Kein Wind, keine Welle und unter Deck immer noch das blanke Chaos. Nichts ist wirklich verstaut und dennoch hangeln wir uns bei gefühlten -20° per Maschine an der Packeisgrenze von Südfehmarn rüber nach Heiligenhafen. Auf dem Wasser ist es einfach schweinekalt, obwohl wir im Hafen um die 4° messen. Während der knapp 90 minütigen Überfahrt lösen wir uns permanent am Ruder und in den Handschuhen ab. Bernd und ich werden anschließend im "Seestern" ganz bestimmt im Glühwein versinken, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. 

Doch so weit sind wir noch nicht. Erst einmal rutschen wir in unsere knappe neue Box an Steg 5/53. Hier sind wir nun zuhause. Und wer ist schon da? Natürlich "Katinka", unsere frühere "Kalami" als temporäre Nachbarin, jedenfalls solange sich die nachbarschaftlichen Lücken noch nicht gefüllt haben - oben rechts.

Das Bad im Glühwein möchte ich Dir an dieser Stelle lieber ersparen. Viel lieber noch einen Blick auf unser "Schiff der Saison."

Die allererste Reise - beinahe für die ganze Crew

Freitag, 25.04.08

Von wegen Segelerfahrung, weder Kerstin, Annette, Andreas oder Frank (von links nach rechts) sind je gesegelt - nur Tatjana (Mitte) weiß, wo es lang geht. Und von wegen Angst - Starkwind kann im April durchaus ein Thema sein - aber diese Crew lässt sich jedes Jahr selbstbewusst auf ein neues Abenteuer ein, die Besatzung versteht sich prima und niemand scheut ein offenes Wort. Da kommt richtig Freude auf. 2008 nun also Segeln und die erste Crew des Jahres wird standesgemäß vom Skipper begrüßt (u.r.), willkommen an Bord.
   
Nunja, die ganze Reise hätte einen wirklich günstigeren Verlauf nehmen können, wenn nicht Annette gleich nach der Ankunft beim Captains Schampain ein Foto ihres neuen Deckchairs herumgereicht hätte. Genau wie auf dem 1912 gesunkenen Luxus-Eisbrecher sieht nämlich Annettes neuer Deckchair aus. So ein Deckchair weckt natürlich Erwartungen und offenbar tummeln sich die Schönen und Reichen aus Hannover und umzu werktäglich auf Annettes heimischem Sonnendeck (Foto rechts).

Völlig klar, dass am nächsten Tag die ganze Crew hinaus in die Sonne drängen wird, aber dafür steht eben nur das pure Teakdeck, 2001 von der Yachtwerft Heiligenhafen mühevoll verklebt, zur Verfügung. Wird das den Ansprüchen dieser Crew gerecht, ein Deckchair passt doch nichtmal in die Backskiste? 

Der Skipper versucht verzweifelt ein anderes Thema auf die Agenda zu setzen und lädt zum traditionellen Hafenspaziergang ein, damit natürlich auch die lokale Wirtschaft angekurbelt wird. Am Ende landet die Besatzung im "Seestern" und verlustiert sich an den heimischen Fischgerichten. Das Thema Deckchair schlummert danach seelenruhig in den diversen Kojen ... noch mal Glück gehabt.


Sa. 26.04.08, Heiligenhafen - Travemünde

Wetter: W bis SW 3, rückdrehend, anfangs diesig

Strahlendes Wetter und das erste akzeptable Wochenende des Jahres. Die Crew will endlich raus auf's Wasser, aber sicher ist nun mal sicher und hier unten links demonstriert Andreas, was so alles in einer Schwimmweste steckt. Die obligatorische Sicherheitseinweisung an und unter Deck zieht sich ziemlich in die Lääänge ... aber nun wissen alle, dass ab fünf Beaufort (Bft.) Schwimmwesten zu tragen sind, heute haben wir gut drei davon.
   
Um 1000 (die Uhrzeiten werden an Bord so und nicht anders angegeben) sind wir raus und zum Eingewöhnen laufen wir zunächst unter Maschine. Und wer steuert? Die Mädels, die Dschungs räkeln sich lieber lasziv in der Sonne. Dennoch ist es auf dem Wasser empfindlich kalt, die Ostsee misst gerade 9°, doziert der Skipper und erzählt ungefragt von thermischen Tiefs und der See- Landbrise. Hört ihr mir überhaupt zu?
   
Um 1110 wird die Fehmarnsundbrücke passiert und endlich um 1130 die Segel gesetzt. Der Wind kommt konstant aus W, das Steuern wird schon bald ein bisschen langweilig und so gibt sich auch die Damenwelt den newtonschen Gesetzen hin. War da nicht mal was mit einem Vermummungsverbot? Völlig unbeeindruckt von den Faserpelzen zeigt der Autopilot souverän seine Stärke und die Crew kann in aller Ruhe die Seele baumeln lassen, ihr habt es euch verdient. Großenbrode rauscht vorbei, Dameshoved, Grömitz in der Ferne und aus dem Radio die Bundesligashow. Unsere Roten verlieren 2 : 2 gegen Hertha, wir fassen es nich. Wie kann man nur ein 2 : 0 wieder versemmeln, ist sich die "Kalami Star" Fankurve einig.
    

Endlich kommt Travemünde in Sicht, jedenfalls das Maritimhochhaus, mit Deutschlands höchstem Leuchtturm auf 104 m ganz obenauf, während wir an Steuerbord noch Neustadt passieren. Endlich angekommen ist auf der Trave viel Verkehr und die noch unerfahrenen Steuerleute sind ein wenig aufgeregt, kriegen das aber locker hin. Nach dem Anleger im Fischerei- und Yachthafen zur Begrüßung der traditionelle Sherry vom Skipper - wobei sich die Crew mit einem Anleger gar nicht erst zufrieden gibt. Nein, beinahe so, als gäbe es einen Rechtsanspruch auf den vorzüglichen Sherry und noch viel mehr davon, wird der mit wenig Respekt getrunken - das hier ist doch kein "all inclusive Dampfer"! Hoffentlich hat Neptun Verständnis für die unerfahrene Crew und dazu morgen einen guten Tag, die sind sonst gar nicht so.
   
Naja und so ganz lupenrein verlief das Anlegemanöver auch nicht. An dieser Stelle sei nicht verschwiegen, dass der Skipper eine relativ enge Box angesteuert hat und wer die modernen Yachten kennt weiß, dass die Flaggenstöcke gegen jede Tradition nicht mehr mittschiffs, sondern unfallträchtig an Steuerbord oder noch schlimmer an Backbord befestigt sind. In dieser recht engen Box ging jedenfalls der Flaggenstock zu Bruch und niemand weiß mehr so genau, wie das geschehen konnte. Der Adenauer jedenfalls hing nicht mehr Deutschland, Deutschland über alles, sondern kopfüber, also gold oben und schwarz unten, und das gerade noch am seidenen Faden. Das Thema Deckchair hing durch dieses Malheur zum Glück noch tiefer, psst.
   
Adenauer hin oder her, wir sehen "Kalami Star" (o.l. mit dem hohen Mast) im Hafen und die durstige Crew vor der Bestellung infrastruktureller Maßnahmen zugunsten notleidender Fischer. 

Natürlich gibt's Fisch und Bratkartoffeln satt und dazu die wunderbare Aussicht auf die Trave mit den riesigen Fähren. Wie schade nur, dass Niederegger keinen Nachtisch spendieren will (geschlossen). Der nächtliche Blick auf die "Passat" entschädigt für entgangene süße Gaumenfreuden. Was für ein wunderbarer Tag, nur dass es sogar an Land noch schaukelt ... wie soll man sich dabei nur die Codenummer für die Dusche und noch eine zweite für das Hafentor merken?


Sonntag, 27.04.08, Travemünde - Heiligenhafen

Wetter: Umlaufend 2 

Um 0940 legen wir in Travemünde ab. Achtung auf die beiden kreuzenden Fähren, aber der neue Steuermann winkt lässig ab, von der Großschiffahrt keine Spur. 15 Minuten später stehen die Segel und der Wind "weht" mit 1 Bft. so stark aus SO, dass die Besatzung eher tropische Gefühle bekommt. Nur ein paar Grad mehr und die Mädels wären wohl im Baströckchen aufgelaufen. Und dennoch, die Ostsee ist noch bitterkalt bestätigt Tatjana und niemand hat wirklich einen Deckchair vermisst. Wär' wohl auch nicht schlecht gewesen, lese ich offenbar klammheimliche Gedanken.
  
Und wenn der Wind nicht so will wie wir, dann setzen wir die Geheimwaffe, dann muss eben der Blister für mehr Wind sorgen. Das wiederum interessiert den Wind herzlich wenig, also sorgt der Volvopenta für den entscheidenden Vortrieb. Zwei Stunden lang Maschinenfahrt und dann kommt endlich wieder eine leichte Brise auf.  
 
Immerhin messen wir um 1200 14° Grad im Schatten. Natürlich müssen sich bei diesen Temperaturen die Steuerleute regelmäßig abwechseln, cool steuert hier Frank den Kahn Kurs Nord. Und wieder wird die Segelgarderobe durchgewechselt. Groß und Genua, Groß und Blister, dann nur der Blister? Wir haben gut zu tun und quälen uns trotzdem nur so über die Runden. Nach 16 Meilen haben wir um 1330 endlich Dameshöved querab, die Fehmarnsundbrücke kommt auf und als Ansteuerung dienen nun die drei Hochhäuser vom Südstrand auf Fehmarn.
 
Wenn wir auch nur langsam vorankommen, so bekommt uns wenigstens die Konkurrenz unter Segel nicht zu fassen, "Kalami Star" läuft einfach Klasse. Um 1730 erreichen wir wieder Heiligenhafen. Schnell wird gestaut und dann die leidige Endreinigung - muss sein. Die nächste Crew erwartet ebenfalls einen blitzsauberen Dampfer.
 
Die erste Gästecrew des Jahres war jedenfalls sehr zufrieden und fährt voller neuer Eindrücke nach Hause. Okay, wir mussten zwar nicht hart segeln, aber ein paar Tage später mailt Tatjana, dass ihr Monitor immer noch schwankt. Jetzt auch noch, Tatjana?

Vielen Dank für die vielen Fotos Annette. Das Foto des Titanic-Deckchair ist aus dem www.